Hexenkuss
Kräutertinkturen und Salben getränkt worden waren und Fruchtbarkeit bringen sollten. Beide Häuser waren stark und konnten mit zahlreichen Nachkommen prahlen, doch jene, die zur Coventry gehörten, lebten übers Land verstreut, und für beide Familien konnte es in Frankreich gar nicht genug Hexen und Hexer geben.
Wieder begann Isabeau zu zittern und schlug die Augen nieder. Jean ließ sich nicht täuschen. Das starke, grausame Blut der Cahors floss durch ihre Adern. Sie war eine fähige und geschickte Hexe, und sie hatte Zauber gewirkt, die vielen seiner eigenen in nichts nachstanden, was eiskalte, unbeirrbare Zielstrebigkeit anging.
Ja, er wusste, dass sie und ihre Familie glaubten, diese Verbindung mit ihren eigenen Zaubern erreicht zu haben. Es war ihr Ziel, die heißblütigen Deveraux zu zähmen. Die beiden Häuser hatten sich noch nie auf eine Vorgehensweise einigen können, um zu erreichen, was sie wollten, nämlich die vollständige Kontrolle über ihren Teil Frankreichs. Die Krone selbst, verliehen vom christlichen Bischof in Reims, war ihr höchstes Ziel. Um sie zu erringen, gingen die Deveraux direkt und gewaltsam vor. Feinde fielen ihren Flüchen oder Schwertern zum Opfer. Hindernisse wurden niedergestochen, verbrannt, vergiftet.
Die Cahors, gewiss keine Heiligen, bevorzugten hingegen Intrigen und diplomatische Schachzüge, um ihren eigenen Interessen zu dienen. Wo ein Deveraux einen unliebsamen Kardinal in seinem Bett ermorden würde, erwarben die Cahors sich seine Gunst mit Juwelen und Jungfrauen, verführten ihn zur Sünde, um ihn anschließend zu erpressen. Sie spielten Bruder gegen Bruder aus, setzten geschickt Gerüchte in die Welt oder beschafften lügende Zeugen in einem Ausmaß, dass die Mächtigen des Landes einander nicht mehr trauen konnten.
Daher behaupteten die Cahors von sich, diskreter und friedliebender zu sein. Sie warfen den Deveraux vor, ihre Zauber und die geheimen Dinge, die nur die Verbündeten »unchristlicher Elemente« kennen konnten, allzu offen und unverhohlen zu gebrauchen. Mit ihrer »Ungeduld«, so behaupteten sie, provozierten die Deveraux das einfache Volk, das von Hexenwerk raunte; schon murrten die Leute, man müsse beide Familien zu Fall bringen, indem man sich beim Papst beklagte.
Die Deveraux ihrerseits wussten, dass zahlreiche Familien aus französischen Adelsgeschlechtern den Cahors zürnten, und zwar so sehr, dass die Tore mehrerer bedeutender Schlösser sowohl den Cahors als auch den Deveraux verschlossen blieben. Es war eine Sache, Sklaven zu verärgern, aber eine ganz andere, die Beziehungen zu anderen Sklavenhaltern zu gefährden.
Deshalb hatten die Cahors, die sich für die schlauere der beiden Familien hielten, beschlossen, ihre Erbin mit dem Erben der Deveraux zu verbinden - sie hatten keinen männlichen Nachkommen, der in der Erbfolge der nächste Schlossherr werden könnte. Jean und Laurent hatten sich heimlich über die vielen Zauber und Rituale lustig gemacht, die Jeans Begierde nach Isabeau anstacheln sollten. Die Cahors wussten ja nicht, dass die Meister des Deveraux-Covens jahrelang zahllose Jungfrauen geopfert und sich den Herrn des Wilden Waldes in all seinen Verkleidungen gewogen gemacht hatten, um die Cahors überhaupt erst zu dieser Verbindung zu inspirieren. Laurent wollte Isabeau Cahors in seinem Schloss haben - ob als Gemahlin seines Sohnes oder als seine eigene Geliebte, war ihm gleich. Denn wenn sie in seinem Schloss lebte, war sie seine Geisel. Die Cahors liebten ihre Tochter und würden nicht zulassen, dass ihr etwas Schlimmes widerfuhr. Ihnen musste klar sein, dass sie als Besitz eines Deveraux-Mannes und Mutter von Deveraux-Söhnen eine größere Chance hatte, alt zu werden.
All das ging Jean während der Zeremonie durch den Kopf, doch in dem Augenblick, da Isabeaus Blut sich mit seinem vermengte, entbrannte er in Liebe zu ihr. Unheimliche Wogen der Verehrung für sie ließen ihn fast taumeln. Natürlich hatte er sie schon immer in seinem Bett haben wollen - welcher heißblütige Mann hätte sich das nicht gewünscht? Sie war eine unvergleichliche Schönheit. Doch jetzt konnte er kaum mehr stehen vor lauter Liebe zu ihr.
Ich begehre sie nicht nur, ich liebe sie wahrhaftig, dachte er schwindelnd. Ich liebe sie so, wie schwache Männer Frauen lieben! Ich bin entmannt! Was haben sie mir angetan?
In diesem Moment sog Isabeau scharf die Luft ein und blickte mit staunend aufgerissenen Augen zu ihm auf. Sie fühlt es auch. Hat jemand
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