Hexenlicht
gesehen.
Von seiner Warte aus konnte er den nadeldünnen Dorn kaum sehen, der oben aus dem ziselierten Gold schnellte. Miranda hielt ihm ihre Hand hin, die Finger zu einer Geste gelangweilter Unterwerfung gekrümmt, und Pierce stach mit dem Dorn in ihr Handgelenk, das er über sein Weinglas hielt. Ihre einzige Reaktion war ein kurzes stummes Zucken.
Blut tropfte in den Wein, doch immer noch gab Miranda keinen Laut von sich. Ihr Kopf sank erst nach vorn, ehe sie ihn in den Nacken warf, so dass sie ihren Hals entblößte. Nach einer Weile begann das Gift aus dem Dorn zu wirken, und Miranda erschauderte. »Ah!«
»Ganz ruhig, Liebling!«, raunte Pierce ihr lächelnd zu.
Zum Glück schirmten die hohen Sitze das Paar so gut wie vollständig ab, so dass keiner der menschlichen Gäste sah, was vor sich ging. Alessandro indessen beobachtete alles. Mirandas Halsmuskeln wölbten sich unter den Wogen der magischen Ekstase. Gleichzeitig floss ihr Blut schneller, spritzte hörbar in das Glas und verströmte seinen Duft. Die leisen Laute, die sie von sich gab, ihr stoßartiger Atem, erregten Alessandro.
»Genießt du die Show?« Omara setzte sich neben ihn und küsste ihn auf den Mund. Er hatte sie nicht kommen gesehen, aber sie war nun einmal eine Meisterin der Überraschungen. Alessandro umfing ihre Wespentaille und fühlte ihren Schenkel an seinem. Sie hatte sich genährt, wie er an der gestohlenen Wärme ihrer Zimthaut erkannte.
»Pierce hat gerade einen Blutring gezückt«, murmelte er ihr ins Ohr. Ihn wunderte, dass ihre Berührung ihn vollkommen kalt ließ. Für gewöhnlich verstand seine Königin es, ihn zu erhitzen, doch nach Hollys Küssen schienen ihm Omaras schlicht fad.
Sie rutschte von ihm weg und strich das Revers ihres Hosenanzugs glatt. Ihr schwarzes Haar fiel ihr offen über den Rücken, und Diamanten glitzerten an ihren Ohren und in ihrer Halskuhle. Aufmerksam blickte sie zu dem Nachbartisch hinüber und bekam große Augen.
Ihre Nasenflügel zitterten.
Eifersüchtig
, dachte Alessandro.
Ich hatte also richtig geraten: Sie will Pierce für sich allein.
»Und ich dachte, der beste Jahrgang, den ich hier bekomme, wäre ein überteuerter Cabernet. Ich hätte mir nie erträumt, dass die Einheimischen sich anzapfen lassen.« Omara funkelte Pierce wütend an, als wollte sie ihn so zwingen, sie anzusehen. Doch das Objekt dieses vernichtenden Blicks bemerkte sie überhaupt nicht. »Interessant, dass er ein antikes Schmuckstück benutzt, während wir einen Mörder suchen, der ebenfalls eines zu seinem Markenzeichen erkoren hat.«
Alessandro musterte seine Königin. Ihre Pupillen weiteten sich vor Verlangen, als sie dem Paar zusah, und um sie herum sammelte sich Energie wie bei einem Gewitter. Dann schüttelte sie sich elegant und streifte die flüchtige Aura ab. Doch ihre Wut brodelte weiter. Alessandro schwieg und trank von seinem Wein.
»Faszinierend, welche Möglichkeiten sich hier ergeben! Ringe, Wahrzeichen, antike Jagdrituale. Von Zeit zu Zeit spielt er mit Hexenzaubern. Könnte John Pierce unser Mörder sein?« Ihrem genüsslichen Unterton zufolge war sie entzückt von der Aussicht, ein Verbrechen aufzuklären. Oder aber sie wollte einfach Pierces Kopf auf einem Silbertablett.
»Die Morde wurden von Fehlwandlern begangen, dessen bin ich sicher«, entgegnete Alessandro.
Ich fasse nicht, dass ich diesen Wurm verteidige!
»Wer behauptet, dass sie allein gehandelt haben? Verschleierung und Planung waren noch nie ihre Stärke. Es wäre nicht abwegig, sollte ein richtiger Vampir das Denken für sie übernehmen.«
Würde Pierce mit Fehlwandlern zusammenarbeiten? Alessandro konnte es nicht sagen. »Was willst du machen?«
Ein verbitterter Ausdruck huschte über Omaras Gesicht. »Bring John zu mir – und sein Essen!«
John, ja? Wie vertraut sind die beiden?
Alessandro verneigte sich.
Armer Mistkerl!
»Wie du wünschst.«
Froh, der klaustrophobischen Umarmung des Sofas zu entkommen, stand Alessandro auf. Der Lärmpegel in der Lounge war gestiegen, doch man sah lediglich die Kellner hin- und hereilen. Die Gäste waren in ihren hochlehnigen Lederverstecken alle unsichtbar.
Als er zu Pierces Tisch kam, war das Weinglas bis auf wenige rote Tropfen leer. Der Vampir hatte seinen Mund an Mirandas zartem weißem Handgelenk und leckte die Wunde sauber. Sie schaute ihm zu, die Wangen gerötet von dem Gift und vor Faszination. Sie blickte mit einer bedauernswerten Mischung aus Schrecken und Bewunderung zu Alessandro
Weitere Kostenlose Bücher