Hexenlicht
kitzelte.
Holly besitzt so viel Kraft, von der sie gar nicht weiß, wie sie am besten zu nutzen ist. Und sie ist in so vielem schwach, während ich stärker und stärker werde.
»Darf ich am Ende dabei sein?«
Jenny streichelte ihm über Stirn und Wange. »Du möchtest eine Kostprobe von ihr, nicht wahr? Das lässt sich einrichten. Wie frühreif du bist, mein Liebster!«
Stumm packte er ihre Hand und küsste die Innenfläche, wo er im Salz ihrer Haut die Magie schmecken konnte. Jenny lachte leise und glitt mit einer Hand unter die Bettdecke, unter der sie sogleich fand, was sie suchte. »Du musst bald lernen, allein zu jagen.«
»Bitte«, flüsterte er flehend, »bring es mir bei!« Er war es leid, nur Häppchen zu bekommen, denn in ihm baute sich ein Verlangen auf, das einem herannahenden Donnergrollen ähnelte. Nein, hier und da eine Kleinigkeit reichte ihm nicht.
Er war noch nie der Typ gewesen, der sich mit Spatzenportionen abgab.
Als Holly auf dem Campus ankam, meldete sich endlich die kribbelnde Spannung wieder, mit der sie ihrem Studium entgegengefiebert hatte und die im Trubel der letzten Tage untergegangen war. Sie hatte die Schlange im Buchladen hinter sich gebracht und war als eine von vielen schwer beladenen blanken Kunden wieder herausgekommen. Heute fand noch ein später Kurs statt, und der Abendhimmel verschleierte die Wege und Gebäude mit einem sanften Aquarellblaugrau. Regen lag in der Luft und intensivierte die Gerüche von Kaffee und Zedern. Hollys Rucksack war schwer von den funkelnagelneuen Lehrbüchern und noch nie benutzten Textmarkern. Ein Neuanfang wie dieser war etwas Seltenes, Feierliches, und Holly genoss die Stimmung, die mit ihm einherging.
Ihr Weg führte sie zwischen einigen efeubewachsenen Gebäuden auf dem Campus hindurch. Dachte man sich die in Jeans und Fleece gekleideten Studenten weg, hätte man sich hier in Edwardianische Zeiten zurückversetzt fühlen können.
Die Wegbiegung lag in Sichtweite des Flanders-Hauses. Widerwillig sah Holly hinüber. Die schwarzen Giebel ragten immer noch über den anderen Dächern auf wie eine makabre Tortenverzierung. Mac hatte erwähnt, dass die Polizei nach wie vor am Tatort ermittelte, weshalb der Brandbefehl bisher noch nicht ausgeführt worden war.
Obwohl das Haus durch eine Querstraße vom Campus getrennt wurde, war es Holly nahe genug, dass sie fröstelte. Natürlich lag das nur an ihren Erinnerungen, denn hier spürte sie keinen Hauch von negativer Energie. Aber Holly gruselte sich trotzdem. Sie blieb stehen und registrierte die anderen Studenten gar nicht, die an ihr vorbeidrängten und sie mit ihren Rucksäcken und Taschen anrempelten.
Ich habe dieses Haus besiegt. Ich sollte mich gut fühlen, wenn ich es ansehe – also, warum ist mir mulmig? Wieso kann ich mir nicht einfach selbst auf die Schulter klopfen und weitergehen? Habe ich irgendetwas ausgelassen, das ich noch dringend erledigen muss?
Die Uhr im Turm schlug. Also musste Holly ihre Nabelschau später fortsetzen, wenn sie pünktlich im Kurs sein wollte.
Das Wirtschaftswissenschaftliche Institut war in einer Gruppe von modernen Bauten untergebracht, die hinter dem großen Parkplatz standen. Der Eingang verbarg sich zwischen großen Blumenbeeten und Treppenaufgängen, die nirgends hinzuführen schienen. Holly lief einmal um das ganze Gebäude herum, ehe sie die gläsernen Doppeltüren entdeckte. Bis dahin war sie verschwitzt und außer Atem.
»Holly!«
Sie erstarrte. Alessandro? »Was machst du hier?«, fragte sie.
»Ich muss mit dir reden.« Er lehnte an einer Betonmauer, fast verborgen im Schatten des Eingangs, und hielt eine Zigarette in der Hand. Sie wusste, dass er rauchte, um den Geruch von so vielen Menschen zu übertünchen. Anscheinend war es für ihn ungefähr so wie für Sterbliche ein Gang durch ein Restaurant – der Duft von so viel Essen regte den Appetit an. Da sie seine Gründe verstand, bat sie ihn auch nie, in ihrer Gegenwart nicht zu rauchen.
Die Zigarettenglut leuchtete rot auf, sowie er ins Licht trat.
Wow
, dachte sie und vergaß für einen Moment alles andere.
Nicht subtil, aber wow!
Heute Abend steckten seine Beine in schwarzem Leder mit Fransenapplikationen, die sich spiralförmig um seine Schenkel wickelten. Seine hüftlange Jacke war mit passenden Fransen versehen. Die langen Lederbänder wehten säuselnd und reizten Holly, sie zu streicheln, zu flechten und mit ihren Fingern zu kämmen.
»Was kann ich für dich tun?«, erkundigte
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