Hexenlicht
Anhänger ihr jetzt auf dem Rücken hing.
Wann habe ich ihn angelegt?
Er sah ein bisschen plattgedrückt aus, also musste sie wohl auf dem Anhänger gelegen haben.
Holly betrachtete sich im Spiegel. Ihr Make-up war zu einem Dali-Bild verlaufen, und ihre Augen mit dem wohl doch nicht so wasserfesten Mascara darunter hatten etwas von einem Waschbären. Ihr Haar sah aus wie immer nach dem Schlafen, sprich: nur mittelgrausam. Ansonsten fühlte sie sich gut.
Komisch.
War ich besoffen?
Nein. Wenn sie zu viel getrunken hätte, wäre ihr jetzt schlecht. Hatte Mac ihr etwas in den Drink gemixt? Das war unwahrscheinlich, trotzdem klaffte nach dem Essen eine große Leere. Das wiederum war Holly erst ein einziges Mal passiert, als sie noch ein Kind gewesen und der große böse Zauber schiefgegangen war. Der Zauber, den sie mit Ashe zusammen ausprobiert hatte.
Vielleicht ist das der Grund, weshalb ich von ihr geträumt habe, weil etwas Ähnliches geschehen ist.
Mit dem Unterschied, dass damals ein ganzes Jahr verschwunden war. Diesmal fehlten ihr nur ein paar Stunden. Und es fühlte sich anders an, denn da war ein modriger Nachgeschmack in ihrem Kopf, den sie nicht zuordnen konnte.
Also nicht dasselbe.
Sie sah aus dem Fenster. Ihr Wagen stand in der Einfahrt, ohne Kratzer oder Dellen.
Doppelt komisch.
Sie drehte sich um und ging ins Bad, um zu duschen.
Ich muss diese Stimmung loswerden.
Heute war ihr erster Tag an der Uni.
Weißt du noch? Der nette Freund, der College-Abschluss, das erfolgreiche Unternehmen? Zeit, deine Ziele in Angriff zu nehmen!
Ja, klar!
Ihre Ziele erschienen geradezu lachhaft unerreichbar. Sie würde sich schon mit vierundzwanzig Stunden zufriedengeben, die einem normalen Leben nahe kamen.
Sobald sie angezogen war, rief sie Grandma an.
»Ich habe einen Blackout«, sagte Holly anstelle einer Begrüßung.
»Dann ist dein Detective entweder ein echter Mann fürs Leben oder ein kompletter Langweiler. Hast du den erkannt, neben dem du aufgewacht bist?«
Toll! Jetzt kommt die Ich-war-in-deinem-Alter-auch-schlimm-Nummer!
»Nein. Ich bin in meinem eigenen Bett aufgewacht, vollständig bekleidet und allein.«
»Und was soll daran spaßig sein?« Sie hörte, wie Grandma Rauch ausblies. »Fang mal an, zu leben, Mädchen!«
»Ich meine es ernst. Ich erinnere mich nicht, wie ich von Mac weg- und nach Hause gefahren bin. Ich erinnere mich an gar nichts mehr nach dem Essen.«
Grandmas Stimme wurde leiser, was bedeutete, dass sie Holly ernst nahm. »Wie fühlst du dich?«
»Gut. Na ja, müde, aber ich bin nicht verletzt und wurde nicht angerührt.«
Trübsinnig
, fügte sie im Geiste hinzu.
Brekks sprang auf den Tisch und schmiegte seinen Kopf in ihre Hand. Gedankenverloren kraulte Holly ihn unter dem weißen Kinn.
»Hattest du einen der Talismane um, die ich dir gegeben habe?«, fragte Grandma.
»Ja, jedenfalls hatte ich einen um, als ich aufwachte.«
Sie hörte ihre Großmutter ausatmen. »Dann musst du dir keine Sorgen machen. Du hast gestern das ganze Haus neu geschützt, was für dich eine Menge Arbeit gewesen sein dürfte – mehr, als du gewöhnt bist. Das bedeutet aber auch, dass du deine Magie überstrapaziert hast, und so etwas kann schon einmal zu Gedächtnisverlust führen. Wahrscheinlich hast du dir einen Muskel in deinem Zauberkörper gezerrt.«
»Meinst du? Das würde für eine ziemlich schäbige Vorstellung sprechen.«
»Na ja, du bist nicht an solche Sachen gewöhnt, oder? Das verlangt Übung.«
Der freundliche Unterton ihrer Grandma täuschte Holly nicht. Ein Blackout jeder Art war ernst, aber das hatten sie ja schon vorher durchgekaut. Die Lücken in Hollys Gedächtnis waren und blieben ein Mysterium. Weder Medikamente noch Magie hatten geholfen. Und jetzt, da sie sich gut fühlte, war es mehr oder minder sinnlos, das Thema nochmals anzusprechen.
»Was soll ich tun?«, fragte Holly, weil sie Trost wollte.
Den sie nicht bekam. »Hör auf, dich zu sorgen, und mach etwas Nützliches! Ich bin damit beschäftigt, etwas gegen drohende Dämonen zu finden.«
Etwas gegen drohende Dämonen? »Antidämonenzauber« klingt irgendwie beruhigender.
»Gibt es eine Möglichkeit, meine Erinnerung an letzte Nacht zurückzubekommen?«
»Wahrscheinlich nicht. Und mit der Erinnerung zu spielen ist gefährlich. Ist es denn so wichtig?«
»Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich mich dringend um irgendetwas hätte kümmern sollen«, antwortete Holly, die zunehmend frustrierter wurde.
»Um
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