HexenLust 1
Zeit, von Bissspuren war schon nach wenigen Minuten nichts mehr zu sehen. Nur das Gift der Vampire brauchte ein wenig länger, um völlig aus dem Körper entfernt zu werden.
Als die automatische Tür des Aufzugs sich öffnete, schlug uns hektische Betriebsamkeit entgegen. So hatte ich diese Abteilung noch nie gesehen. Verwundete Hexen wurden über den Gang geschoben, Heilerinnen rannten hektisch durcheinander, blutüberströmte Reaper lagen in Krankenbetten. Ein Wirrwarr aus Magie und Flüchen schlug uns entgegen.
»Draußen muss die Hölle los sein«, flüsterte Ira mir ins Ohr, während wir in die Zimmer spähten.
»Du hast ja keine Ahnung.«
Ich wandte mich an Bianca, einer Heilerin, welche ich aus meiner magischen Ausbildung kannte.
»Bianca!«, rief ich. Sofort hellte sich ihre Miene auf, als sie mich sah. Wir umarmten uns. Dabei erkannte ich, wie ihr Schweißperlen über die Stirn rannen. Sie hatte wenige Tage vor mir den ewigen Vertrag unterschrieben, ihr war es jedoch bestimmt, einen anderen Weg zu gehen. Das große Mädchen, welches immer ein wenig erwachsener wirkte, als sie tatsächlich war, hatte sich für die Heilkunst entschieden. Trotzdem hatten wir bis zu einem gewissen Grad unsere Ausbildung gemeinsam genossen. Sie wirkte erschöpft.
»Was macht ihr beiden denn hier? Gibt es irgendwelche Probleme?«
Ihre schwarzen, lockigen Haare hatte sie mit einem Band zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammengebunden. Jedoch hingen ihr einige Strähnen feucht ins rot glühende Gesicht.
»Nein, bei uns ist alles in Ordnung. Wir suchen einen jungen Reaper. Sein Name ist Maddox.«
Wir mussten einem weiteren Patienten aus dem Weg gehen, der von drei Heilerinnen in ein Behandlungszimmer geschoben wurde. Sie hatten ihn bereits in den künstlichen Schlaf versetzt und aus den Händen von zwei Heilerinnen strömte weißes Licht auf den offenen Bruch des Mannes. Unter der strömenden Magie begann der Knochen zusammenzuwachsen. Noch eine halbe Stunde Behandlung, dann eine weitere ausruhen und er konnte wieder auf die Straße, dank unserer unermüdlichen Heilerinnen.
»Er ist vor Kurzem hier eingeliefert worden«, fuhr ich unbeirrt fort. »Circa einsfünfundachtzig groß, schwarze Haare, so alt wie wir.«
Sie nickte hastig, schritt dann voran, um nach wenigen Metern die Tür zu einem Zimmer zu öffnen. Dort lag er schließlich. Mit freiem Oberkörper ruhte er liegend. Bianca kaute auf ihren Lippen, während sie das Clipboard vom Bett nahm.
»Gehirnerschütterung, mehrere Rippenbrüche, dazu einen Milzriss und Wunden von Vampirzähnen.« Sie stellte sich neben den Patienten, begutachtete den muskulösen, von kleineren Narben überzogenen Oberkörper und strich ihm über die größere an der Seite des Halses.
»Nett, wirklich nett.« Sie grinste uns mit vielsagendem Blick an. »Die Knochen sind gerichtet, die Erschütterung verheilt, die Milz ist wieder in Ordnung. Nur für die Kratzspuren haben wir keine Zeit, allerdings hat er kein Vampirgift im Körper. Der künstliche Schlaf wird noch knapp zwanzig Minuten andauern, dann ist er wieder fit.«
Triumphierend löste sie das Band. Ihre lockige Haarpracht fiel bis zu den Schulterblättern, als sie sich am Bett abstützte.
»Sorry, Mädels, aber in den letzten Tagen ist es einfach Wahnsinn, was hier los ist. Braucht ihr noch irgendwas, oder kann ich euch allein lassen?«
Ich legte meine Hand auf ihre Schulter. Selbst durch den Arztkittel und die weiße Bluse konnte ich die Hitze spüren, die von ihrem Körper ausging.
»Danke, Bianca, wirklich nett von dir.«
Noch einmal amtete sie durch, dann verließ sie den Raum und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.
Ira und ich nickten uns zu.
Seine schwarze Armeehose mit den vielen Taschen hatten sie ihm nicht ausgezogen, ebenso die schweren Soldatenstiefel. Auf einem Tisch in der Ecke lagen Waffen, seine Schutzweste, der Wintermantel und eine Menge anderer Utensilien, die er für den Kampf benötigte. Doch das Wichtigste, seine Ritterlilie, ruhte auf dem Nachttisch neben ihm. Im Schlaf war es einfach, die Gedanken der Menschen zu lesen. Ihr Geist war dann so offen wie ein Scheunentor. Man konnte alles aus ihnen herausziehen. Jede Erinnerung, jede Empfindung, die Gefühle für jemanden. Natürlich wurde dies nur in absoluten Ausnahmefällen gestattet. Und wenn man die Menschen nicht gerade vor sich selbst schützen musste, war das strengstens verboten. Doch Ausnahmen bestätigen schließlich die Regel, und dies
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