Hexenmacht
etwas unternehmen!", meinte ein hoch aufgeschossener, sommersprossiger Mann in den mittleren Jahren. "Oder wollt ihr etwa alle die Hände einfach den Schoß legen und abwarten?"
"Und was soll deiner Meinung nach unternommen werden?", fragte der Graubart.
"Auf jeden Fall sollten wir dafür sorgen, dass dieser Kerl möglichst bald verschwindet", knurrte Walsh. "In unserem eigenen Interesse. Denn eines sollte jedem von uns klar sein: Als Nachfahre der Gorams wird er nur Tod und Verderben über uns bringen!"
*
Jim und ich machten kurz halt bei dem kleinen Fischerhafen, der ein pittoreskes Bild bot, dass jeder Postkarte zur Ehre gereicht hätte.
Der Hafen bestand im Wesentlichen aus mehreren Bootsstegen, deren Holz zum Teil schon recht morsch wirkte. Die Uferbefestigungen mussten ebenfalls zuletzt vor Jahrzehnten erneuert worden sein. Das Meer nagte hier ständig an der Küste und würde sich sicher irgendwann seinen Teil holen...
Nach Westen hin folgte ein längerer Strandabschnitt, dahinter erhoben sich schroffe Klippen. An weiter vorgelagerten Felsen brachen sich die Wellen und schlugen über ihnen zusammen. In Jahrtausenden waren diese Felsen durch das Wasser glattgeschliffen worden.
Der kräftige Wind, der den ganzen Tag über von See her geweht hatte, hatte sich nun etwas gelegt. Das Wetter schien umzuschlagen. Es war diesig geworden.
Wir betraten einen der Stege, an dem nur wenige Boote festgemacht waren. Am Ende des Steges saß ein alter Mann, der eine Angel ins Wasser hielt.
"Ich kann mir nicht helfen, aber ich habe das Gefühl, dass dieser Arzt nur ein Wichtigtuer ist", hörte ich Jim sagen.
Ich zuckte die Schultern.
"Ansonsten haben wir bei den Leuten hier bislang ziemlich auf Granit gebissen", gab ich zu bedenken. "Wir können uns unsere Verbündeten nicht aussuchen."
"Das ist richtig. Vor diesem Jakes solltest du dich im übrigens in Acht nehmen."
Ich sah Jim erstaunt an.
"Wieso das denn?"
"Na, der hat dich mit seinen Blicken doch förmlich mit Haut und Haaren verschlungen, Patti! Erzähl mir jetzt nicht, dass du das nicht gemerkt hättest!" Jim grinste. "Oder sollte er möglicherweise hypnotische Kräfte haben!"
Hörte ich da etwa eine Spur Eifersucht aus Jim Fields Worten heraus?
"Du spinnst!", erwiderte ich und wir lachten beide.
"Ach, ja?"
"Ja!"
Das hatte entschieden klingen sollen, aber im Grunde wusste ich, dass Jim genau richtig gelegen hatte. Dieser Tom Jakes war ein faszinierender Mann, dessen umwerfender Charme mich in einer Welle ungeordneter Gefühle einfach mitgerissen hatte.
Ich scheuchte die Gedanken an ihn erst einmal wieder beiseite. Schließlich war ich hier, um zu recherchieren, nicht, um mich Hals über Kopf in ein Herzensabenteuer zu stürzen.
"Wir werden wohl etwas länger hier festsitzen, was?" Jim schien von der Aussicht nicht gerade begeistert zu sein.
"Zumindest, wenn es so zäh weitergeht..."
"Abwarten, Jim."
Jim ließ indessen seine Kamera klicken.
"Immerhin kann man hier ein paar schöne Landschaftsaufnahmen machen. Es wird zwar ein bisschen diesig, aber mit etwas Nachbearbeitung im Labor kann noch ein passabler Sonnenuntergang draus werden! Kalender-Verlage nehmen solche Motive immer sehr gerne."
Mein Blick hing derweil starr am Horizont. Ich blieb abrupt stehen.
"Heh, was ist los, Patti?"
"Siehst du das Boot dahinten am Horizont?"
"Ich sehe nichts."
"Das war schon heute morgen da draußen!"
"Von welchem Boot sprichst du?", fragte Jim. Und dann sah ich es auch nicht mehr. So sehr ich den immer dunstiger werdenden Horizont auch absuchte, ich fand es nicht wieder.
*
Es war ein seltsames Gefühl, abends im Glenmore Inn zu sitzen und sich etwas zu Essen servieren zu lassen, während um uns herum Schweigen herrschte. Die anwesenden Gäste sprachen kaum ein Wort und wenn, dann in gedämpftem Tonfall, so dass wir nichts mitbekommen konnten.
Mrs. Walsh versuchte, uns etwas auszufragen, nachdem sie uns ein paar Sandwiches gemacht und an den Tisch gebracht hatte.
"Sie waren auf Goram Manor, nicht wahr?", fragte sie.
"Ja", erwiderte ich ziemlich nichtssagend und setzte dann noch hinzu: "Ein prächtiger Landsitz!"
"Ich habe gehört, ein Amerikaner soll jetzt alles erben", hakte Mrs. Walsh nach.
"Was Sie nicht sagen!" Ich tat erstaunt.
Zwischendurch nahm Mrs. Walsh immer wieder Blickkontakt zu ihrem Mann auf, der hinter dem Schanktisch stand und uns aufmerksam beobachtete. Offenbar hatte er seine Frau gewissermaßen auf uns
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