Hexenmacht
vergewissern.
"Der begnadete Künstler, der dieser außerordentlich naturgetreuen Wachsfiguren zu schaffen weiß", erwiderte ich.
Er schüttelte den Kopf.
"Ich bin kein Künstler", sagte er. "Diesen Ehrgeiz habe ich schon seit langem nicht mehr... Aber ich bin ein Handwerker. Ich glaube, dass ist die richtige Bezeichnung!"
Zur Bekräftigung nickte er heftig.
Jetzt mischte sich Steve ein. "Jedenfalls habe ich noch nie derartig lebensechte Wachsfiguen gesehen", meinte er.
"Man könnte meinen, dass sie jeden Moment zum Leben erwachen..."
Webster lachte schallend und rau.
Dann sagte er finster: "Ich weiß nicht, ob man sich das wirklich wünschen sollte..."
Seine Augen waren schmal dabei, als er das sagte.
"In der Eingangshalle steht ein Mann mit einer Narbe...", begann ich dann, ehe er mich unterbrach.
"Ja. Eine Figur, die für mein jetziges Schaffen nicht mehr repräsentativ ist."
"Wie soll ich das verstehen?"
"Jeder versucht, sich zu verbessern!" meinte er. "Ich auch." Und dann fügte er in einem wispernden Tonfall hinzu: "Sie sollten sich meine neueren Arbeiten ansehen... Ich glaube, Sie werden begeistert sein!"
"Heißt das, ich darf Sie morgen mal in Ihrem Atelier besuchen?"
Er hob abwehrend die Hände und in seinem Gesicht stand der Ausdruck puren Entsetzens.
"Nein!", erwiderte er. "Gott bewahre! Aber alle meine Figuren sind hier auf Blanchard Manor... Die meisten im Keller... Wenn Sie wollen zeige ich Ihnen mein ganz persönliches Kabinett..."
Die Art, wie er das sagte, war schon eigenartig. Er schien ein von seiner Arbeit völlig Besessener zu sein. Und doch war noch etwas anderes in seinem Charakter. Etwas, was sich nicht sogleich entschlüsseln ließ. Warum trinkt er?, fragte ich mich. Ich sah ihn forschend an und dann hatte ich plötzlich einen Gedanken.
Er sieht aus wie jemand, der von etwas schrecklichem weiß, es aber weder vergessen noch verhindern kann!
Meine Eingebung erschreckte mich ein wenig. Aber ich spürte, dass ich ganz nah an einer furchtbaren Wahrheit war.
Mein Puls beschleunigte sich etwas. Ich atmete tief durch und sog die nasskalte Luft dieser ungemütlichen Nacht ein.
Er wandte sich wortlos zum Gehen, bis meine Stimme ihn zurückhielt.
"Mr. Webster..."
Er blieb stehen. Dann wandte er sich halb herum. "Was ist noch?", sagte er. "Vor mir liegt eine arbeitsreiche Nacht."
"Ich dachte, Sie sind heute den ganzen Tag in Tarbert gewesen? Sind Sie nicht hundemüde?"
Er wandte sich vollends herum und ich blickte in sein Gesicht, das auf einmal sehr traurig wirkte.
"Ich finde kaum noch Schlaf, Mrs. Smith", bekannte er. Sein Lächeln wirkte etwas dünn und hatte fast einen Zug von Verzweiflung. "Sie wollten noch etwas fragen?"
"Der Mann mit der Narbe..."
"Was ist mit ihm?"
"Diente diese Figur auch der Beschwörung eines Totengeistes?"
"Natürlich, Mrs. Smith! Ich habe seinen Namen vergessen. War ein ungemütlicher Kerl!"
Und mit diesen Worten ging er dann davon. Wir sahen ihm nach, wie er die Stufen des Portals hinaufwankte und sich dabei am steinernen Handlauf festhalten musste, ehe er schließlich im Haus verschwand.
*
"Komm!", sagte Steve, nahm meine Hand und wollte mich mit sich ziehen. Aber ich widerstrebte. Ich blickte die dunkle, abweisende Fassade des Landhauses der Blanchards empor.
Durch einige Fenster drang Licht nach draußen, hinter anderen war es dunkel.
Mir fiel ein hohes Fenster im Ostflügel auf.
Es musste zu einem im Obergeschoss gelegenen Zimmer gehören.
Gegen die Helligkeit hob sich der dunkle Schatten einer Gestalt ab. Den Umrissen nach vermutete ich einen untersetzten Mann mit breiten Schultern. Er schien in unsere Richtung zu blicken.
"Scheint als, würde man uns gut im Auge behalten", meinte Steve.
"Ja", murmelte ich.
Unbehagen hatte mich ergriffen.
Ich schluckte. Mein Blick hing noch einen Augenblick lang an der Gestalt im Fenster, dann ließ ich mich von Steve in den Arm nehmen, und wir gingen in die Nacht hinein.
Im Hintergrund war das Rauschen des Meeres zu hören.
Nicht lange und wir hatten die Klippen erreicht. Dort ging es steil hinunter.
Wir sahen uns kurz an und brauchten keine Worte, um uns zu verständigen. Jeder erriet die Gedanken des anderen und so gingen wir Hand in Hand den schmalen rutschigen Pfad hinab, der zum Strand führte.
Nebelschwaden krochen über das Meer, während auf der anderen Seite das fahle Mondlicht herabschien, das der ganzen Szenerie eine unwirkliche Note gab.
Steve sah mich mit seinen
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