Hexenmacht
hatte sich das geändert.
Jetzt sah ich zum ersten Mal etwas anderes in ihren Augen.
Furcht...
*
Lady Blanchard schien der Vorfall in der Eingangshalle sehr mitgenommen zu haben. Jedenfalls zog sie sich daraufhin zurück, ohne noch irgend ein Wort zu sagen.
Später versuchte ich mir genau in Erinnerung zu rufen, was eigentlich geschehen war... Es wollte mir nicht gelingen. Der Butler stellte die Wachsfigur des Mannes mit der Narbe wieder an ihren Ort zurück. Starr und tot blickte ihr Gesicht in den Raum...
War da vielleicht so etwas wie Zorn in diesen wächsernen Zügen, die auf geradezu gespenstische Weise menschlich wirkten?
Du bildest dir etwas ein!, ging es mir durch den Kopf.
Später gingen Steve und ich noch hinaus ins Freie. Wir wollten eine Gelegenheit finden, uns ungestört unterhalten zu können.
Inzwischen war es dunkel geworden. Der Regen war indessen verebbt. Und der Nebel war etwas lichter geworden und hatte sich ein Stück aufs Meer hinaus verzogen. Immer noch umgab er Blanchard Manor wie eine eisgraue Wand. Aber jetzt konnte man immerhin mehrere Dutzend Meter weit sehen. Und das, trotz der Dunkelheit.
Das Oval des Mondes schimmerte als verwaschener Fleck durch den dunstigen Himmel hindurch.
Steve und ich gingen Arm in Arm die Stufen des Portals hinunter. Ich hatte mich diesmal warm angezogen und doch schnitt die Kälte wie ein Messer durch meine Sachen. Es war eine Art von Kälte, die ins Mark ging und von innen her zu kommen schien...
"An einem ziemlich seltsamen Ort sind wir hier gelandet!", meinte Steve dann.
"Das kann man laut sagen!"
"Ich werde mich morgen mal darum kümmern, dass wir einen Wagen bekommen. Vielleicht ist Lady Blanchard ja so freundlich und stellt uns einen zur Verfügung."
"Du willst dich hier in der Gegend umsehen?", fragte ich.
Er nickte.
"Vor allem interessiert mich dieser Mordfall... Hast du schonmal gehört, dass jemand eine Wachspuppe entwendet und sie dann in der Nähe eines Tatortes ablegt?"
"Normalerweise würde man denken, dass jemand den Verdacht auf Lady Blanchard lenken will. Aber in diesem Fall..."
Er hob die Augenbrauen.
"Ja?"
Ich sah ihn an und begegnete dem warmen Blick seiner grauen Augen. Ich zuckte die Schultern.
"Ich weiß es nicht", sagte ich.
"Was Dr. Skull angeht stehen wir jedenfalls bislang mit ziemlich leeren Händen da..."
"Abwarten", sagte ich. "Wir kennen noch nicht einmal alle Bewohner von Blanchard Manor..."
"Und das dein Informant sich geirrt hat - das kann nicht sein?" Er fasste mich bei den Schultern und bedachte mich mit einem charmanten Lächeln.
Ich erwiderte es.
"Nein", sagte ich. "Das ist eine zuverlässige Quelle..."
"Wenn du sie mir verraten würdest, könnte ich vielleicht beurteilen wie zuverlässig..."
Ich schüttelte den Kopf.
"Das ist geheim", sagte ich lächelnd.
"Oh!"
Ich durfte gar nicht daran denken, wie seine Reaktion gewesen wäre, hätte ich ihm die Wahrheit gesagt. Andererseits war das, was Tante Lizzy meine Gabe nannte, ein weitaus weniger phantastisches Phänomen als jene Dinge, die wir in Tanger erlebt hatten.
Wir umarmten uns und unsere Lippen fanden sich zu einem Kuss.
"Nimmst du mich mit, wenn du dir morgen die Gegend ansiehst?"
"Sicher."
"Eine Weile wird dieser sogenannte Künstler ja wohl brauchen, bis er die Wachsfigur hergestellt hat, mit der dann die Zeremonie durchgeführt werden kann..."
Ein Motorengeräusch ließ uns herumfahren. Aus dem Nebel heraus tauchte ein Landrover auf. Der Fahrer fuhr ziemlich unsicher. Der Motor brauste auf, ohne das der Wagen beschleunigte. Seine Fahrbahn beschrieb eine Art Schlangenlinie, ehe er schließlich mit einen Ruck kurz vor dem Portal zum Stehen kam.
Mit einem Ächzen öffnete ein dunkel gelockter Mann die Wagentür und trat ins Freie.
Ich schätzte ihn so um die vierzig. Sein zerfurchtes Gesicht ließ ihn allerdings älter erscheinen.
Sein Gang war schwankend und unsicher.
Es war unverkennbar, dass er zuviel getrunken hatte.
Er musterte uns. Seine Augenbrauen bildeten dabei eine geschwungene Linie.
"Guten Abend", knurrte er launig. Dann musste er aufstoßen.
Er wankte auf uns zu, hielt dann in einer Entfernung von wenigen Schritten erneut an und setzte noch hinzu: "Sie müssen Mr. und Mrs. Smith sein..."
"Ja, das ist richtig", sagte ich. "Und Sie sind..."
"Eric Webster!", unterbrach er mich und deutete dabei mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf sich selbst, so als müsste er sich dieser Tatsache erst
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