Hexennacht
vorwärts. Samlor rannte zum Boot. Er hielt das Kind nun mit beiden Armen. Die lodernden Flammen warfen ihre tanzenden Schatten weit voraus.
Samlor setzte Stern im Heckteil des Bootes ab und schob es ins Wasser zurück. Der Wasserstand war gesunken, seit er es an Land gezogen hatte. Während Samlor sich gegen das Boot stemmte, blickte er über die Schulter zurück. Das brennende Petroleum floß den Gang entlang. Vor ihm her stolperte Lord Tudhaliya mit brennenden Kleidern und einem Schwert in jeder Hand. Haar und Fleisch des Mannes brannten, aber es gab Wesen, die selbst die größte Qual nicht von einem Vorhaben abzubringen vermag. Samlor sah die grimmige Entschlossenheit in den Zügen des Beysibers.
Der Cirdonier hatte noch einen schmalklingigen Dolch am linken Handgelenk, doch der taugte so wenig gegen diesen Gegner wie die Messer, mit denen er im Tempel gekämpft hatte. Samlor griff nach der Stakstange. Als Tudhaliya mit dem Schwert in seiner Linken angriff, stieß Samlor die Stange gegen die Brust des Beysibers.
Wäre genug Platz gewesen, hätte Tudhaliya dem plumpen Stoß leicht ausweichen können. In der Enge aber prallte er gegen die Wand und fiel in die sich ausbreitenden Flammen.
Der Beysiber erhob sich wieder. Samlor zielte mit seiner Stange auf dessen Unterleib, verfehlte ihn, traf ihn jedoch in der Rippengegend stark genug, um ihn wieder auf den Boden zu werfen. Tudhaliyas Klingen zuckten von beiden Seiten heran und hackten in das Holz - nur wenige Zoll von Samlors Fingern entfernt. Späne flogen, doch die Stange war aus abgelagertem Eschenholz und so dick wie das Handgelenk eines Mannes. Samlor stieß sich ab, und der Beysiber fiel mit dem Rücken ins Feuer.
Ein heftiger Windstoß fuhr durch den Tunnel und gab den Flammen neue Nahrung. Sie umspielten Tudhaliyas Gesicht und drangen tief in seine Brust, als er nach Atem rang für einen Schrei.
»Mein süßes Mädchen, mein kleiner Liebling«, flüsterte Samlor, als er sich dem Kind zuwandte. »Ich bringe dich jetzt nach Hause.« Der flache Boden des Bootes glitt so leicht über den felsigen Boden, als hätte der Tod des Henkers die Kräfte des Befreiers verdoppelt.
»Bringst du mich zurück zu Mama Reia?« fragte Stern. Mit großen Augen hatte sie zugesehen, wie Tudhaliya starb. Nun blickte sie Samlor an.
Er schob das Boot ins aufspritzende Wasser und setzte sich zu dem Kind. Mit der ganzen Länge der Stange schob er das Boot vorwärts. Nun da die Flut zurückgegangen war, bedeuteten die Felsen keine Gefahr mehr. Als sie dreißig Fuß weit auf See waren, setzte er die Stange ab und machte sich daran, mit dem Messer die Verschnürung der Ruder zu lösen. »Stern«, sagte er, nun da genug Zeit für Fragen und Antworten war, »vielleicht holen wir Reia zu uns. Aber wir kehren zurück in dein wirkliches Zuhause - Cirdon. Erinnerst du dich an Cirdon?«
Unbeholfen mühte sich der Karawanenmeister ab, die Ruderschäfte in die Seilschlingen zu schieben, die als Ruderdollen dienten.
Stern nickte mit wachsender Begeisterung. »Bist du wirklich mein Onkel?« fragte sie.
Die Blasen an den Händen vom Staken waren aufgebrochen. Die salzverkrusteten Rudergriffe brannten wie Feuer, als er mit dem ganz und gar ungewohnten Rudern begann. »Ja«, erwiderte er. »Ich habe es deiner Mutter versprochen - deiner wirklichen Mutter, Stern, meiner Schwester - ich versprach ihr ...«, und das stimmte, auch wenn Samlane bereits zwei Jahre tot war, als ihr Bruder die Worte zum Himmel rief, ». daß ich mich um dich - o Mutter Heqt, wir hatten es doch fast geschafft.«
Lord Tudhaliya hatte sich nicht nur auf seine Männer an Land verlassen. Ein Schiff lag vor der Küste. Jemand dort hatte den Mann und das Kind entdeckt. Es war ein Wachschiff mit zehn Rudern, das rasch näherkam.
Ein Bogenschütze stand hochaufgerichtet am Bug. Sein erster Schuß flog ein gutes Stück zu kurz. Er legte einen neuen Pfeil an die Sehne, während das Schiff den Abstand rasch verringerte.
Samlor ließ die Ruder fallen. Er sank auf die Knie und hob die Arme. Er wagte nicht aufzustehen in dem schwankenden Boot. »Stern«, sagte er, »ich fürchte, daß wir diesen Männern nun doch nicht mehr entkommen. Wenn ich zu fliehen versuche, bringe ich nur dein Leben in Gefahr. Und es sind zu viele, um Widerstand zu leisten. Ich kann nichts gegen sie ausrichten.«
Stern blickte über seine Schulter hinweg auf das beysibische Wachschiff und dann wieder zu ihm. »Ich will nicht zu diesen Männern,
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