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Hexennacht

Hexennacht

Titel: Hexennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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wartete, sagte er sich, daß er nicht so alt geworden wäre, wenn er sich hätte von Torheit leiten lassen. Und nun begann er, der stets ein sicherer und anerkanntermaßen unparteiischer Beobachter gewesen war, selbst die Hitze der revolutionären Glut zu spüren. Nur zu gut wußte er, daß Politik das Spiel alter Männer war: Sie schickten junge Männer in den Kampf für ihre Prinzipien. Er mußte darauf achten, daß er nicht den Boden der Tatsachen unter den Füßen verlor wie jene, gegen die die Ilsiger sich auflehnten: die Beysiber, die Rankaner, die Nisibisi und wer sonst noch versuchen mochte, diesem unbedeutenden Sandhügel der Stadt seinen Stempel aufzudrücken.
    Er hatte eine Botschaft erhalten: Hakiem, wenn Ihr an der erzählenswerten Geschichte dieser Zeit interessiert seid, dann erwartet mich übermorgen um Mittag auf der Bank unter der Schirmtanne im Park zum Himmlischen Versprechen. Wer immer diese Zeilen geschickt hatte, war bereit, ein großes Risiko einzugehen, denn selbst am hellichten Tag verbaten die Beysiber öffentliche Versammlungen. Und heutzutage galt es bereits als Versammlung, wenn zwei sich trafen.
    Es war das erste Mal, daß die Rebellen versuchten mit ihm in Verbindung zu treten. Hakiem fand, es hätte ihnen schon eher klar sein müssen, wie wichtig er für sie war, denn ohne Gerüchte, ohne die geeigneten Geschichten über Heldentum und Sieg, ohne eine große Vision waren kaum Anhänger für einen größeren Aufstand zu gewinnen.
    Zwei blonde Beysiberinnen mit entblößtem Busen, verschleiertem Gesicht und keusch gesenktem Blick schritten vorbei; ihre beysibischen Begleiter stolzierten hinter ihnen, und Ilsigerknaben folgten mit Sonnenschirmen.
    Hakiem atmete auf, als sie vorüber waren. Es war nur eine Annahme, daß die Botschaft von den Aufständischen stammte, genausogut mochte eine der Fischäugigen mit ihren dressierten Schlangen die Botschaft geschickt haben.
    Hakiem fuhr sich müde übers Gesicht. Diese letzte Demütigung des vergewaltigten Freistatt war fast mehr, als er ertragen konnte. Täglich wuchsen die Abfallhaufen, täglich wurden weitere Personen vermißt. Die Zahl der Waisen war bereits höher als die der Kinder, die noch Eltern hatten, und Kinderbanden, die so gefährlich waren wie die von den Nisibisern unterstützten Todestrupps, streiften des Nachts durch die Stadt, obschon die Beysiber eine Ausgangssperre verhängt hatten (im Labyrinth wurde sie überhaupt nicht eingehalten, denn selbst mit Gewalt ließ sich dort nichts durchsetzen).
    Früher einmal hatte man Freistatt als Anus des Reichs angesehen - aber zumindest war es damals Teil von etwas Begreifbarem gewesen: dem rankanischen Reich; so unerfreulich diese Tatsache auch sein mochte, war es zumindest von Menschen geschaffen worden, und Männer regierten es, nicht Frauen und Zauberei. Die Harka Bey und ihre Zauberinnen herrschten über Freistatt mit übernatürlichem Grauen, das - darüber waren sich alle Priester einig, Ilsiger und Rankaner gleichermaßen - bald den Zorn der Alten Götter herabbringen würde.
    Ein Ilsigerpriester, der seine verbotenen Andachten in den Alten Ruinen nördlich der Stadt hielt, hatte in einer flammenden Predigt gewarnt, daß die Götter Freistatt im Meer versinken lassen mochten, wenn die Bürger sich nicht zusammentaten, um die Beysiber zu vertreiben.
    Einige hatten gehofft, daß sich Kadakithis letzte Nacht dort draußen blicken ließe; aber seit der Einnahme der Stadt hatte niemand mehr den armen Prinz-Statthalter aus der Nähe gesehen. Manchmal schaute jemand, den man für den Prinzen halten mochte, durch das hohe Fenster des Gerichtssaals, doch munkelte man, es sei nur ein durch Magie erschaffenes Ebenbild Kadakithis’, der echte Prinz-Statthalter schmachte unter dem Zauber der Beysa Shupansea und sei bereits so gut wie tot.
    Diese Gerüchte kamen der Wahrheit nahe, denn wahrlich schmachtete der Prinz unter einem Zauber - doch dem der Liebe.
    Die Lage war nun viel schlimmer als zu der Zeit, da die Nisibisihexen aus dem Norden die Befreiung Ilsigs predigten und den großen Umsturz prophezeiten. Träte nun die schrecklichste von ihnen - Roxane, die Königin des Todes - vor Hakiem und verlangte seine Seele als Bezahlung für eine Geschichte über ein freies Freistatt, er würde sie ihr gerne geben.
    So schrecklich bedrückend war alles, daß er manchmal am liebsten geweint hätte.
    Als er sich die Augen wischte und die Hände wieder herabnahm, sah er eine Frau vor sich

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