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Hexennacht

Hexennacht

Titel: Hexennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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ging die Treppe
hinunter, zog die Haustür auf und trat in einen kalten
Wintertag. Er fühlte sich gut. Diese Frau würde ihm nie
wieder in sein Leben hineinreden und ihn unsicher machen. Er
entschloss sich, sie nicht mehr zu besuchen.
    Das Licht verschwand. Arved stand immer noch in absoluter
Dunkelheit. Aber es ging ihm besser. Er hoffte, dass er sich nun
richtig entschieden hatte. Falls es überhaupt eine Entscheidung
war, die er getroffen hatte. Er drehte sich um und ging in die dem
nun verschwundenen Lichtpunkt entgegengesetzte Richtung. Er wusste
nicht einmal, ob er nun auf dem richtigen Weg zur Tür war, aber
er hoffte es. Er betete darum. Und gelangte zur Tür.
    Er hatte die Hände vor sich ausgestreckt und war stehen
geblieben, sobald er Holz gespürt hatte. Nun drückte er die
Klinke herunter und stieß die unverschlossene Tür auf.
Grelles Licht blendete ihn. Er hatte nicht damit gerechnet, so leicht
entkommen zu können. Es dauerte einige Sekunden, bis er in dem
weißen Neonlicht etwas sehen konnte. Er befand sich wieder in
einem der gleichförmigen, von allen Seiten mit Licht
durchflossenem Korridore. Niemand war zu sehen. Er ging nach rechts,
kam an die erste Biegung, sah einen Aufzug, dessen Türen
geöffnet waren, stieg ein und drückte den Knopf für
das Erdgeschoss. Mit einem heftigen Zischen schlossen sich die
Türen und ruckelnd setzte sich der Aufzug in Bewegung. Im
Erdgeschoss stieg Arved aus. Ein Pfeil zeigte den Weg nach
draußen. Er kam an einer verlassenen Pförtnerloge vorbei
und trat durch ein Jugendstilportal in den teilweise von
Scheinwerfern beleuchteten Innenhof, in dem noch der schwarze
Cadillac mit den abgedunkelten Scheiben stand. Schnell ging Arved an
ihm vorbei und durch das Tor in dem Glasgebäude nach
draußen auf die Straße.
    Er war frei.
    Und völlig allein in der totenstillen Stadt.

 
28. Kapitel
     
     
    Arved stellte erstaunt fest, dass er sich auf der Saarstraße
befand. Er hatte nicht gewusst, dass hier ein Polizeirevier lag. Die
nächste Querstraße, auf die er traf, war die
Töpferstraße. Also war er nicht mehr weit von Sankt
Matthias entfernt. Ein verrückter Gedanke kam ihm. Vielleicht
war Magdalena Meisen wieder zu Hause. Es würde ihn nicht
wundern. Nichts wunderte ihn mehr.
    Die Saarstraße ging in die Matthiasstraße über.
Er betrat die große Kreuzung mit dem Beerdigungsinstitut auf
der linken Seite und sah schon den wehrhaften Turm der alten
Klosterkirche. Die Ampeln leuchteten, aber niemand war auf der
Straße, kein Auto, kein Fußgänger. Mitten auf der
Kreuzung blieb Arved stehen. Er hörte ein leises Geräusch,
beinahe wie das Rauschen von Blättern, aber hier standen keine
Bäume. Außerdem schien es von unten zu kommen. Verwirrt
schaute Arved auf den Asphalt. Er glänzte wie nach einem
Regenguss. Aber es hatte nicht geregnet. Er kniete nieder. Die Laute
wurden deutlicher. Und dann sah er es.
    Es waren Gesichter. Sie steckten im Asphalt. Die Münder waren
schrecklich weit aufgerissen und leises Jammern drang aus ihnen.
Arved rieb sich die Augen. Das Bild war verschwunden; es war nur
Asphalt. Aber die Geräusche blieben.
    Er stand wieder auf und ging weiter. An der hohen Klostermauer
vorbei. Die mächtigen Bäume im Klausurgarten wisperten.
Unförmige Schatten saßen in den Ästen; manchmal
blitzte etwas auf und kleine Wolken stiegen hoch.
    Nichts behinderte seinen Weg. Er bog in den Schammat ein und von
dort aus in die Saarburger Straße. Die einförmigen
Häuser mit den rosafarbenen Baikonen lagen unter blassem
Mondschein. Und im ersten Stock der Nummer 1 brannte Licht.
    Zuerst war sich Arved nicht sicher, ob es wirklich die Wohnung der
Meisens war. Doch er erinnerte sich daran, dass er den Ahorn vom
Wohnzimmerfenster aus gesehen hatte – den Ahorn, in dem
Magdalena Meisen eine seltsame Gestalt zu sehen geglaubt hatte.
Dieser Ahorn stand genau vor dem erleuchteten Fenster.
    Arved umrundete das Haus und schellte.
    Nichts geschah.
    Eigentlich hatte er erwartet, dass niemand ihm öffnen
würde. Er musste aber irgendwie hinaufgelangen. Arved
drückte mit der flachen Hand auf alle Klingelschildchen
gleichzeitig. Nichts rührte sich. Er lehnte sich gegen die
Tür. Sie gab nicht nach. Arved ging zurück nach vorn und
suchte nach einem kleinen Steinchen oder einem anderen Gegenstand,
den er gegen Magdalenas Fenster werfen konnte. Während er sich
bückte, hatte er wieder den Eindruck, als glotzten ihn tausend
Augen an. Er fand ein kleines Stöckchen. Es

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