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Hexennacht

Hexennacht

Titel: Hexennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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fühlte sich
seltsam warm und geschmeidig an. Arved warf es an dem Ahorn vorbei
gegen das erleuchtete Wohnzimmerfenster. Er hörte deutlich das
scheppernde Geräusch. Nichts tat sich. Kurz überlegte er,
ob er versuchen sollte, an dem Ahorn hochzuklettern und auf den
Balkon vor dem Wohnzimmerfenster zu springen, doch dazu war er nicht
sportlich genug. Er stieß einen langen Seufzer aus. Vielleicht
hatte Magdalena Meisen nur vergessen, das Licht auszuschalten;
vielleicht war sie gar nicht da.
    Als er noch überlegte, regte sich etwas im Treppenhaus. Durch
die Dunkelheit huschte ein Schatten von innen auf die
Eingangstür zu. Sie wurde aufgezogen und etwas wehte an Arved
vorbei. Er hatte die Person nicht erkennen können; es war, als
sei sie wirklich nur ein unkörperlicher Schatten gewesen. Rasch
setzte er einen Fuß in die Tür und drückte sie auf.
Er versuchte das Licht im Treppenhaus anzuschalten, aber es ging
nicht. Vorsichtig tastete er sich voran.
    Im ersten Stock erfühlte er eine nur angelehnte Tür,
hinter der kein Licht hervordrang. »Magdalena?«,
flüsterte er, dann etwas lauter: »Magdalena
Meisen?«
    Nichts antwortete ihm.
    Aber etwas schlang sich ihm plötzlich um Beine und Arme und
zog ihn in die Dunkelheit.
    Die Luft wurde aus Arveds Lunge gepresst. Er wollte schreien,
brachte aber keinen Laut hervor. So musste das tödliche
Würgen einer Riesenschlange sein.
    Dann ging ein Licht an. Es war eine nackte Glühbirne, die von
einer Zimmerdecke herunterhing. Arved sah gerade noch, wie zwei
graue, wurmartige Fortsätze sich in die Wand zurückzogen.
Es schauderte ihn; er hielt sich so weit wie möglich von der
Wand entfernt.
    Er stand in einem Zimmer ohne jede Möblierung. Die nackten
Wände starrten ihn an. Das Fenster ihm gegenüber schien ins
Nichts zu gehen. Zwei Türen zweigten von dem Raum ab. Die, durch
die er hereingekommen war, war verriegelt; die andere ließ sich
öffnen.
    Sie führte in einen gleichartigen, etwa quadratischen Raum,
von dessen Decke ebenfalls eine nackte, brennende Glühbirne
herabhing. Arved näherte sich einer der Wände und betastete
sie vorsichtig. Sie fühlte sich warm und lebendig an – als
werde sie von unsichtbaren pulsierenden Adern und Muskeln durchzogen.
Rasch nahm er die Hand wieder weg und begab sich in die Mitte des
Zimmers unmittelbar unter die Glühbirne.
    Zuerst sah er es nur aus den Augenwinkeln. Es kam von oben. Schoss
herab wie eine vorschnellende Froschzunge. Er sprang zur Seite. Es
fuhr über die Stelle, wo er gestanden hatte, und schlug in den
Boden ein. Es war in der Tat wie eine Zunge: rötlich, fleischig,
aber gleichzeitig hart wie Stahl. Sie spaltete den Boden und schuf
tiefe Risse. Arved lief durch eine der beiden Türen – und
stand wieder in einem gleichartigen Raum. Oder war es der Raum, aus
dem er gekommen war? Er ging auf eine der beiden Türen zu,
überlegte nicht lange, riss sie auf – ein weiteres
quadratisches Zimmer mit einer nackten Glühbirne. Nichts stach
aus ihr hervor. Also hatte er zumindest nicht jenes Zimmer, das ihm
beinahe zum Verhängnis geworden wäre, zweimal betreten.
    Oder der fleischige Fortsatz hatte sich wieder in die
Glühbirne zurückgezogen.
    Das nächste Zimmer. Und noch eines. Er wollte es sich nicht
eingestehen, aber er befand sich in einem Labyrinth. Und es gab keine
Möglichkeit für ihn, sich einen Überblick darüber
zu verschaffen. Er fragte sich, was ihn in der Mitte erwarten
würde – falls er die Mitte erreichen sollte. Magdalena
Meisen? War er nicht wegen ihr hier? Arved schüttelte müde
den Kopf und öffnete eine weitere Tür.
    Ein Zimmer, ungefähr quadratisch, mit weiß
getünchten Wänden, wie die anderen auch, mit einer
Glühbirne und einem Fenster, das nur in Schwärze
hineinführte. Arved trat an das Fenster, das wie ein Spiegel
war. Er sah sich näher kommen, die Hand heben, an den Griff
legen, ihn drehen und das Fenster aufziehen. Dann verschwand das
Bild, als die Scheibe in den Raum hineinschwang.
    Und wurde durch vollkommene Schwärze ersetzt. Sie war wie
Samt oder Seide.
    »Hallo?«, rief Arved. Seine Stimme schien das Zimmer
nicht zu verlassen. Er schloss das Fenster wieder, denn er wagte
nicht, eine Hand über den Sims hinauszustrecken. Er ging in das
nächste Zimmer.
    Hier stand in der Mitte ein schmiedeeiserner Leuchter mit einer
großen, weißen, brennenden Kerze darin – beinahe wie
an einem Altar. Ansonsten war das Zimmer wie alle anderen.
    Doch dieser eine Unterschied, die andere

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