Hexennacht
wirst.«
»Das werden wir noch sehen. Ich kann dir jedenfalls
versprechen, dass ich offen für alles bin.«
»Also gut.« Er gab sich einen Ruck und erzählte die
ganze Geschichte, während er im Zimmer auf und ab ging.
Schließlich zog er sogar die Schublade des Sekretärs auf
und zeigte Ulrich seinen Einkauf. Seltsam; nun fühlte er sich
besser.
Ulrich hatte die ganze Zeit über schweigend zugehört. Er
betrachtete nun den Dolch und den Zauberstab und schüttelte den
Kopf. Schließlich sagte er: »Ich kann dich verstehen,
Arved. Was du in der letzten Zeit durchgemacht hast, muss sehr
schlimm gewesen sein. Ich glaube, es ist wichtig, dass du etwas tust,
was diese Situation beendet, sogar wenn das bedeutet, dass du in die
Hölle hinabsteigst.«
»Aber du hast mir doch gesagt, dass es keine Hölle
gibt«, warf Arved ein, während er die magischen
Gegenstände wieder wegräumte.
»Man kann es auch im übertragenen Sinn sehen: Du musst
in deine eigene Hölle hinabsteigen, um dich zu reinigen. Es ist
eine Art Exorzismus.«
»Aber es geht nicht um mich! Es geht um Magdalena
Meisen!«, wehrte sich Arved.
Ulrich Schwarz hob die feingliedrige Hand. »Natürlich,
natürlich. Beruhige dich doch. Tu, was du für richtig
hältst, aber tu es nicht allein.«
Arved sah ihn mit großen Augen an. »Heißt das,
dass du mir bei der Beschwörung helfen willst?«
Ulrich zwang sich zu einem gequälten Lächeln und
seufzte. »Nein, ich werde dir bei der Beschwörung nicht
helfen. Aber ich möchte dabei sein, damit ich eingreifen kann,
wenn es nötig wird.«
»Eingreifen?« Arveds Gesicht war eine einzige Frage.
»Es könnte ja sein, dass du hyperventilierst und in
Ohnmacht fällst, während Kerzen brennen, oder dass du an
Räucherungen zu ersticken drohst. So etwas hat es schon oft
gegeben. Im achtzehnten Jahrhundert zum Beispiel. Da gab es die so
genannte Jenaische Christnachtstragödie. Auch da ging es um die
Beschwörung eines Dämons, die in einer engen Hütte in
einem Weinberg bei Jena durchgeführt wurde. Einige der
Beschwörer starben an den Folgen der Räucherungen. Wo
willst du deine Operation durchführen?«
»In der Waldhütte, in der ich Jürgen Meisen
gefunden habe.«
»Das ist eine gute Idee. Du sagtest, sie sei verfallen und
habe kein Dach mehr. Also besteht nicht die Gefahr des Erstickens.
Trotzdem wäre ich gern in der Nähe, falls doch etwas…
außer Kontrolle gerät.«
»Ich kann einfach nicht glauben, dass du mir dabei helfen
willst.«
»Der Zweck heiligt manchmal vielleicht doch die Mittel. Als
ich dich gestern gesehen habe, war ich entsetzt. Wenn dein ganzes
Denken nur um diese magische Operation kreist, ist die einzige
Möglichkeit, dich von deinen Qualen zu befreien, die
Durchführung ebendieser Operation. Das heißt keinesfalls,
dass ich so etwas grundsätzlich gutheiße. Ich will nur
einem alten Freund helfen. Und ich will zur Stelle sein und
eingreifen können, falls es notwendig werden sollte.«
Arved trat vor ihn und streckte die Hände aus. Ulrich ergriff
sie. In Arveds Augen standen Tränen.
Gemeinsam studierten sie stundenlang das alte Zauberbuch. Sie
brüteten über den Formeln bis in den Abend hinein.
Plötzlich klappte Ulrich das Buch zu, sprang auf und sagte:
»Ich muss die Messe zelebrieren. Ich werde auch für dich
beten. Morgen Abend treffen wir uns hier.« Er lief hinaus; die
Straße schluckte ihn.
Arved schloss die Haustür hinter ihm und ging zurück ins
Wohnzimmer, wo noch Ulrichs feines Parfüm in der Luft lag. Er
rieb sich die Augen. Noch vor wenigen Stunden war er verzweifelt
gewesen und hatte sich sehnlichst gewünscht, mit jemandem
über die ganze Sache zu reden. Da hatte plötzlich Ulrich
Schwarz vor seiner Tür gestanden und ihm angeboten, die
Beschwörung zu begleiten. Das alles konnte nur ein Wink des
Himmels sein.
Oder der Hölle?
18. Kapitel
Die Nacht war erstaunlich ruhig und erholsam. Als Arved erwachte,
fühlte er sich wie neu geboren. Heute Nacht würde es soweit
sein. Arved schaute neben sich und stellte erstaunt fest, dass die
beiden Katzen rechts und links neben ihm auf dem Kopfkissen lagen.
Als sie bemerkten, dass er wach war, begannen sie zu schnurren. Er
streichelte sie zärtlich.
»Es dauert nicht mehr lange, Magdalena«, flüsterte
er. »Gedulde dich. Ich werde dich retten.« Er stand auf und
betete sein Brevier.
Er betete und fastete den ganzen Tag. Er vergaß sogar, sich
zu waschen und zu kämmen. Als es bereits dunkel wurde, schellte
es
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