Hexennacht
Innere und zerwirbelte ihm die
blonden Haare. Ulrich hielt erstaunt die Luft an. Es war wie der Atem
eines gewaltigen Tieres. Und es schwang sogar ein unbestimmter Geruch
darin mit.
Arved schnüffelte in die Nacht hinein. Er schloss die Augen.
Nicht ablenken lassen. Sich ganz auf das Ziel konzentrieren. Er ging
um den Wagen herum, entriegelte den Kofferraum und holte den Koffer
mit den magischen Gerätschaften heraus. Inzwischen war auch
Ulrich ausgestiegen. Es war in der Dunkelheit kaum zu erkennen, ob er
Arved anschaute, aber dieser glaubte ein Glitzern in Augenhöhe
zu erkennen. Er erinnerte sich an die Reaktion der Katzen auf Ulrich
Schwarz. Seine Hand schloss sich fest um den Griff des Koffers,
während er mit der anderen den Kofferraum zuwarf und den Wagen
abschloss.
»Bist du schon einmal hier gewesen?«, fragte Arved laut
in den Wind hinein.
Zuerst antwortete ihm nur das Rauschen der jungen Blätter.
Dann hörte er wie aus weiter, windumtoster Ferne:
»Nein.« Es klang kaum wie Ulrichs Stimme. Der Priester war
zu einer schwarzen Gestalt geworden; der Wind zerrte an seinem
dunklen Mantel und bauschte ihn auf, sodass er beinahe wie gewaltige
Fledermausflügel wirkte.
Oder wie ein mönchischer Umhang.
Obwohl Arved kaum etwas von seiner Umgebung erkennen konnte, ging
er zielstrebig in den Wald hinein. Er hatte an eine Taschenlampe
gedacht, die er nun aus seinem Jackett zog. Der Lichtfinger liebkoste
fahlweiße Stämme und farbloses Gebüsch, das wie eine
verblichene Fotografie wirkte. Es dauerte nicht lange, bis die beiden
die Beerenhecke erreicht hatten, neben der inzwischen bereits ein
kleiner Trampelpfad ins Unterholz führte. Schweigend bahnten sie
sich einen Weg durch den peitschenden Wind, der erst nachließ,
als sie zwischen den hohen Fichten und Buchen standen. Oben in den
Kronen rauschte und raschelte es, doch hier unten war es wie im Auge
eines Wirbelsturms. Es herrschte absolute Windstille.
Der Lichtfinger der Lampe holte die bleichen Umrisse der
verfallenen Hütte aus dem Walddunkel. Arved schauderte, als er
an den ersten Besuch in dieser Hütte dachte. Und ihn schauderte
noch mehr, als er daran dachte, was er gleich hier tun wollte. Er
seufzte schwer, leuchtete Ulrich an und richtete den Blick auf ihn.
Der Priester nickte. Niemand wollte ein Wort sagen; es war, als traue
man sich nicht, das Raunen des Sturmes hoch oben zu stören.
Sie betraten die Ruine. Nichts hatte sich seit Arveds letztem
Besuch hier verändert. Er kniete nieder und tastete nach dem
Mechanismus, der die Falltür hob. Tatsächlich fand er ihn
rasch. Er leuchtete in die Schwärze.
Ulrich kletterte die wenigen Stufen hinunter und rief mit
gedämpfter Stimme: »Hier ist nichts mehr.«
Arved hatte nichts anderes erwartet. Vielleicht war er sogar
beobachtet worden, als er mit Thomas den Keller erforscht hatte.
Vielleicht gehörte die geisterhafte Person im schwarzen Umhang
zu der Magierbande.
Nachdem Ulrich Schwarz wieder hochgeklettert war, suchten die
beiden die Umgebung der Hütte ab. Außer einigen
Mäusen, einem Reh und anderen Waldtieren, die sie nicht sahen,
aber hörten, stöberten sie nichts auf.
Sie sahen sich an und nickten gleichzeitig.
Nachdem sich Arved das weiße Leinenhemd übergestreift
hatte, stellte er die Leuchter auf den grob behauenen Altar in der
Mitte des Kellers. Zwischen sie stellte er ein Kreuz mit dem Balken
nach unten. Auch zwei Räucherpfannen und die Phiole mit dem
Hühnerblut fanden noch Platz auf dem rauen Stein. Dann zeichnete
Arved unbeholfen den magischen Kreis um den Altar und fügte ein
Pentagramm ein, dessen fünf Spitzen den Kreis durchbohrten. Auf
den Steinboden der Hütte hatte er bereits den gleichen
Schutzkreis gezeichnet, wie es in dem Grimorium Nigrum empfohlen worden war. Er öffnete das kleine Zauberbuch
erneut und schrieb daraus die gleichen hebräischen und
lateinischen Buchstaben wie oben in den Kreis. Dabei murmelte er die
vorgeschriebene Einleitung, wobei er auch die handgeschriebenen
Zusätze berücksichtigte und die altertümlich
geschriebenen Worte in moderne Sprache umwandelte: »Ich
beschwöre dich, Herrscher Luzifer, als der Mittler des
großen und starken Gottes, seines geliebten Sohnes und des
Heiligen Geistes und bei der Macht der großen Adonai, Eloim,
Ariel und Jehovah, diesen Kreis als heilig anzusehen und dich
außerhalb desselben zu manifestieren.«
Als er fertig war, richtete er sich wieder auf und fuhr fort,
indem er die Augen zusammenkniff und versuchte,
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