Hexennacht
keinen Fehler zu
machen:
»Aglon, Tetragrammaton, Vaycheon, Stimulamaton, Ezphares
Retragrammaton Olyaram Irion Esytion Existion Eryona Onera Orasym
Mozm Messias Soter Emanuel Sabaoth Adonay te adoro, et te
invoco.«
Er schüttete die Räuchermischungen in die beiden Pfannen
und entzündete die Kohlen. Bald stiegen dünne
Rauchfäden in die Luft. Es roch wie in der Esoterik-Handlung.
Arved kam sich höchst lächerlich vor, als er in der linken
Hand den Dolch und in der rechten den Zauberstab hielt und den Beginn
der eigentlichen Beschwörung rezitierte.
»Herrscher Luzifer, Meister aller gefallenen Engel, ich flehe
dich an, dich mir gnädig zu zeigen, wenn ich deinen Diener
Azrael anrufe und einen Pakt mit ihm eingehen will. Ich flehe auch
dich, o Prinz Beelzebub an, mein Begehren zu schützen. O Graf
Astaroth, sei mir gnädig und gewähre mir in dieser Nacht,
dass mir der große Azrael erscheine, auf dass ich einen Pakt
mit ihm eingehen kann. Er erscheine mir nicht in erschrecklicher
Gestalt und frei von bösen Gerüchen. O großer Azrael,
ich bete dich an. Steige aus deinem Reich herauf zu mir und rede mit
mir.«
Ulrich stand in der hintesten Ecke des Kellers und betrachtete das
Schauspiel mit gerunzelter Stirn. Er hatte die Hände vor dem
Körper gefaltet und bewegte bisweilen die Lippen; zumindest
erschien es im ungewissen Kerzengeflacker so. Betete er? Arved
konzentrierte sich wieder auf seine Beschwörung.
Plötzlich fuhr ein Windstoß in den Keller, zerrte an
Arveds Hemd und löschte die Kerzen. Da er schon zu Beginn der
magischen Riten die Taschenlampe ausgeschaltet hatte, stand er nun in
völliger Dunkelheit da. Von draußen drang das Rauschen und
Heulen des Windes hinab in das Verlies. Er zerbiss einen Fluch
zwischen den Zähnen und tastete nach den Streichhölzern,
die er auf dem Altar abgelegt hatte. »Ulrich?«, rief er
dabei.
Es kam keine Antwort.
Er fasste in etwas Weiches, Pulsierendes. Sofort zog er die Finger
zurück. Was war das? Auf dem Altar standen nur die
Räucherpfannen, die Phiole mit dem Hühnerblut, die beiden
Leuchter und das umgekehrte Kreuz. Nichts davon fühlte sich im
entferntesten so an wie das, was er gerade unabsichtlich berührt
hatte! »Ulrich!«
Ein feiner Gestank durchwob den Keller. Allmählich
gewöhnten sich Arveds Augen an die Finsternis und er sah
über sich die Öffnung und die aufgeklappte Falltür
dahinter. Der Sturm schien die Wolken zerfetzt zu haben; Streifen
silbernen Mondlichts lagen auf den Wänden der Hütte. Doch
hier unten herrschte Finsternis. »Ulrich!«
Dort, wo sein Freund gestanden hatte, regte sich etwas. Es gab ein
seltsames, schleimiges Geräusch von sich, als wälze sich
ein riesiger Wurm durch einen See von Auswurf. Arved machte einen
Schritt vom Altar weg auf die Leiter zu. »Was ist los? So sag
doch etwas, Ulrich!«
Das schmatzende Geräusch kam auf ihn zu. Langsam,
gleichmäßig, unausweichlich. Er ertastete die Sprossen in
seinem Rücken, wirbelte herum und hastete die Leiter hoch. Kurz
überlegte er, ob er die Falltür zuwerfen sollte, doch dann
säße Ulrich in der Falle.
Oder war es gerade Ulrich, vor dem er sich schützen
musste?
Er schlich bis zum verfallenen Eingang der Hütte zurück
und ließ dabei das Loch im Boden nicht aus den Augen.
Etwas kam daraus hervor. Ein schwarzer Umriss. Mondblicke
erfassten ihn. Spiegelten sich in ihm wider. Das Schwarze wuchtete
sich aus dem Loch. Arved rannte aus der Hütte, hinein in den
Wald, dessen Gezweig im noch immer brausenden Sturm tanzte.
Hexentanz. Dämonentanz. Tanz der Teufel.
Die schwarze Gestalt kam lautlos aus der Hütte hervor, blieb
stehen, schien die Umgebung abzusuchen und mit ihren silbernen
Blicken zu durchdringen.
Nun hatte die Gestalt ihn erspäht und schwebte geradewegs auf
ihn zu. Der Gestank folgte ihr. Arved kannte ihn. Es war derselbe
Geruch wie damals bei Jürgen Meisen. Süßlich, beinahe
wie Verwesungsgeruch. Ihm schlug das Herz bis zum Hals. Kalter
Schweiß stand ihm auf der Stirn und seine Handflächen
waren nass. Er konnte sich nicht mehr bewegen. War gebannt. War
gefesselt. Wie in einem Albtraum. Dann hatte es ihn erreicht.
»Warum bist du weggelaufen?«
Die Stimme klang nicht wie die von Ulrich. Sie war tiefer und eine
ungeheure Dunkelheit schwang in ihr mit. »Wir sollten
weitermachen.«
Mondlicht goss bleiche Tropfen über die Gestalt und
löste ihre Schwärze auf. Zu ihren Füßen
glimmerte es. Ulrich Schwarz stand inmitten eines Hexenkreises –
eines
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