Hexensabbat
immer danken.
Jetzt nahm der Küster von der Alten, die mehr beruhigt schien, Abschied. Die Alte begleitete ihn, und als sie auf den Gang kamen, lief die Ziege vom Hofe zu ihnen und drängte sich schmeichelnd an Gertrud. Diese machte die Haustür auf, um den Besuch zu entlassen; aber obgleich die Alte ihre Ziege bei den Hörnern festhielt, so sprang diese doch vor dem Küster vorbei und auf die Straße hinaus. Die alte Frau lief ihrer Ziege nach, rief und lockte, nannte sie mit den zärtlichsten Namen, und der Küster half, so gut er konnte. Das Haus ward verschlossen, aber die Ziege war schon in die nächste Gasse geraten, und die Alte winkte dem Geistlichen, ihr zu folgen und den Flüchtling einfangen zu helfen.
Der Küster wurde immer verlegener. Er wollte der Alten, die ihm als eine fromme, fast heilige Frau erschien, nicht seinen Dienst versagen, und doch fürchtete er, in dieser Treibjagd lächerlich zu erscheinen, da sich schon einige jungen Buben aus den Häusern versammelten, um der Alten und ihrer Ziege nachzulaufen. Seine Gutmütigkeit siegte dennoch über seine Ängstlichkeit, und er rannte in die andre Gasse, um die Ziege der schreienden Alten entgegenzuscheuchen. Die kluge Ziege aber, als wenn sie diesen Kriegesplan begriffe, rannte wieder in eine andre Nebengasse, um diese Absicht zu vereiteln. Da ein Hallo in diesem abgelegenen Viertel der Stadt ertönte, sammelten sich immer mehr der müßigen Jungen, die teils der Alten, teils der Ziege nachliefen. Am schlimmsten aber wurde es, als eine ganze Schule aus einem finstern Hause brach und den Tumult zur Reife brachte. Einige der größeren Jungen kannten die alte Gertrud und schrien: Hexe! Hexe! Andre riefen: Ihr Kobold, die Ziege, ist ihr weggelaufen! Halloh! halloh! – Andre riefen dazwischen: Der Beschwörer, der Hexenmann ist auch gekommen! Auf sie drein! auf die Sünder! – Der Küster wollte sich in Autorität setzen und rief: Still! ungezogene Bengel! Ich bin der Küster von der Kathedrale! Die fromme Gertrud ist eine stille, wohltätige, heilige Frau! Ich werde euch, boshaftes Gesindel, der Strafe überliefern!
Das Getümmel aber war schon so laut geworden, daß seine Ermahnung wie sein zürnendes Wort erfolglos verhallte. Einer von den Buben warf mit Obst nach der alten Frau; der Apfel flog tösend an ihren Rücken, und ein allgemeines Gelächter jubelte. Hierauf griffen einige zu Steinen, und Wundrich wie Gertrud wurden von größeren und kleineren getroffen. Schon fiel die Alte wehklagend nieder, und es würde wahrscheinlich auch dem Küster schlimm ergangen sein, wenn jetzt nicht eine Anzahl von Männern, die durch die Straße gingen, dem Unfug gesteuert hätten. Am schnellsten aber stiftete der Dechant Friede, der mit einigen Dienern von seinem Garten hereinkam und vom Geschrei und Toben nach dieser einsamen Gasse war gezogen worden. Ein angesehener Kanonikus, Melchior, welcher sein Gast gewesen war, begleitete ihn. Beim Anblick dieser vornehmen Geistlichen floh die ungezogene Jugend, und der Dechant stellte den verwundeten und übel zugerichteten Küster zur Rede, wie er ein solches Ärgernis veranlassen, und sich mit den Jungen auf der Gasse schlagen könne.
Wundrich verteidigte sein Betragen, wie er nur die fromme Gertrud habe retten wollen, jene tugendhafte Alte, die von allen Verständigen hoch geehrt werde, und nun dort schwer verwundet liege, von den bösen Buben verletzt, wie ihr schon, wegen ihres sonderbaren Äußern, öfters geschehen sei.
Wie? sagte der Kanonikus, jene Bettlerin, die dort liegt, ist die Gertrud, die man wohl eine Heilige nennen möchte? – Der Dechant rief ebenfalls mit Erstaunen aus: Himmel! noch niemals habe ich diese ehrwürdige Frau gesehn, die wir alle nicht genug achten können; und so schmählich ist sie behandelt worden!
Die Männer eilten mit ihren Dienern nach der Stelle, wo die Alte fast ohne Bewußtsein lag. Sowie sich das Getümmel verlaufen hatte, war die Ziege auch zurückgekommen und stand jetzt ruhig neben Gertruden, und sah sie aufmerksam an, als wenn sie sie trösten wolle. Die Diener nahmen die Alte auf, welche stark blutete, und die nur langsam, auf die Männer gestützt, gehen und sich bewegen konnte. So ward sie nach ihrer Hütte geführt, indem der Dechant und der Kanonikus sie aufmunternd und tröstend begleiteten. Auch der Küster folgte in einiger Entfernung, und erwartete, daß jene Geistlichen an der Tür umkehren, und die Verwundete ihm übergeben würden. Sie schloß
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