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Hexensabbat

Hexensabbat

Titel: Hexensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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werde? Daß auf die Anklage einer verrückten Bettlerin, die von meinen Wohltaten gelebt hat, ich für einen Zauberer und Verbündeten des Satans gelten soll? – Er blickte umher, aber alle waren scheu von ihm zurückgewichen, alle entfernten sich, von stummer Angst gefesselt, und die Häscher führten ihn, der nun ruhig wurde, als er sah, daß jeder Widerstand vergeblich sei, nach der Inquisition.
    Hierauf ging der Bischof weiter, das Volk zerstreute sich, erschreckt und betäubt, und der Dechant folgte seinem Vorgesetzten in tiefen Gedanken. Ich weiß, sagte der Bischof zum Dechanten, daß Ihr mich stets für einen schwachen Mann angesehen habt, weil ich Euren gelehrten Floskeln nicht habe Rede stehn können und mögen, Ihr seht jetzt meine Kraft und Macht. Die Menschen und ihre Satzungen sind mir gleichgültig, und ich lasse jedem gern die Ehre, gelehrter zu sein als ich; aber wo es das Reich Gottes gilt, da sollt Ihr erfahren, daß ich standhafter und kräftiger bin als irgendwer. Ihr wart der erste, der mich auf diesen und jenen Unfug in der Stadt aufmerksam machte, Ihr dachtet vielleicht, mit dem Feuer zu spielen und mich nur zu necken; Ihr seht aber, daß Euer philosophischer Spaß zur lichten Flamme ausschlägt, die Euch und alle verzehren kann.
    Beide gingen in das große Gebäude der Inquisition, um die Schuldigen noch einmal zu hören, bevor die Folter angewendet wurde, der sie vielleicht entgehen konnten, wenn sie eine recht große Zahl von Mitschuldigen angaben.
    Nachdem sich das Volk wieder zerstreut hatte, sah man den Kanonikus Melchior mit seinem Vetter, dem jungen Ritter Köstein, über den Platz wandeln. Sie erwarteten den jungen Flamand, den Advokaten, um den verwundeten Denis wieder zu besuchen, und seine Aussage, wegen des Mordes, aufzuschreiben. Der Kanonikus war sehr verstimmt und aufgeregt, weil es ihn verdroß und erschreckte, daß ein Prälat, den alle bis dahin nur geringgeschätzt, ja wohl verachtet hatten, plötzlich eine so drückende Tyrannei über sie alle ausübte. Die letzte Begebenheit, von der er Zeuge gewesen war, hatte ihn erschreckt und um alle Fassung gebracht. Jetzt, sagte er zu dem Jüngling, kann es kaum einer mehr wagen, ihm zu widersprechen, wenn er nicht sogleich Gefahr laufen will, auch als Zauberer dem Gefängnis überliefert zu werden. Das gräßlichste Unheil schwebt uns allen über den Häuptern; denn da er keinen Anstand genommen hat, den wackern Taket, welchen die ganze Stadt ehrt und liebt, unter diesem Vorwand gefangenzunehmen, so wird er nicht zaudern, auch den Vornehmsten und Frömmsten zu bezichtigen. Es ist furchtbar und entsetzlich, daß aus einem so unscheinbaren Funken sich so plötzlich diese Flamme hat entzünden können.
    Er kämpft für seinen Stand und für Euch, sagte Köstein; und wenn der Mann nicht so ausgemacht dumm wäre, so könnte man ihn für einen der allerlistigsten Priester halten, die nur jemals die Welt regiert und betrogen haben. Aber er ist so gewissenhaft dumm, daß er gewiß Zeit seines Lebens noch niemals eine List begriffen, noch weniger eingefädelt hat.
    Wie meint Ihr das? fragte Melchior.
    Ihr seht ja, antwortete der Ritter, daß es von jeher einen Kampf zwischen den Geistlichen und Weltlichen gab. Diese Kriege, welche sie miteinander führen, erscheinen in verschiedenen Gestalten, und bald ist das Recht auf dieser, bald auf jener Seite, oft haben beide Parteien gleich viel Recht und Unrecht. Seit lange scheint mir die Sache schon so verwickelt, die vielfältigen Fäden so verschlungen, die eigentliche Religion aber so tief in den Knoten hineingeknüpft, daß sie keiner mehr sehen und unterscheiden kann, wobei es doch noch eine Frage bleibt, ob durch einen künftigen Alexander, wenn er das Gestricke mit dem Schwerte durchhaut, die Welt was Erkleckliches gewinnen möchte.
    Junger Mann, sagte Melchior, Ihr sprecht heut, gegen Eure Gewohnheit, so vielsinnig, daß ich Eure Meinung kaum erraten kann.
    Und doch habt Ihr die Historien studiert, antwortete Köstein, und die Geschichte Eurer Kirche und ihrer Ausbreitung, sowie Eurer Händel mit tausend Ketzern und vielen Sekten, mit den Deutschen Kaisern und den Tempelherren und Frankreich. Mir scheint, die Kirche ist dadurch so mächtig, und zu Zeiten so allmächtig geworden, daß ihre Satzungen, Lehren, Wunder, Heilige und Feste sich immer vermehrt, und das erste unscheinbare Bild zu einem gewaltigen Koloß ausgearbeitet haben. So folgt jeder neuen Lehre und Erscheinung, jeder

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