Hexensabbat
Offenbarung, eine neue Auslegung, ein neues Fest, ein neuer Kirchendienst. Die Menge wird durch die sinnliche Erscheinung, durch den Aberglauben, durch Beichte und Ablaß gefesselt und regiert. Die Vorbitten der Heiligen, die Wallfahrten, das Jubiläum, die Orden und Bettelmönche, die neuen Wunder, alles dient nur, die Kirche und ihren Vorsteher, den Papst, mächtiger zu machen, indem die Menschen immer darauf hingewiesen werden, an dem Buchstaben zu halten, den sie durch Glauben, Freude, Trauer, Büßung und Geißelung, durch Glanz und Kirchenfeste, Rührung und Putz soviel beleben dürfen, als sie nur wollen. Und ist es nicht ein schönes Leben und Weben in diesem fortwährenden Traum? Aber der Geist ist ihnen untersagt; diesen suchen, oder gar finden, ist die größte, die unverzeihlichste Sünde; denn in ihm und durch ihn genügt der Mensch sich selbst, und findet alle jene noch so großen und glänzenden Anstalten überflüssig. Religion und Glaube werden nun seine nächsten Hausgenossen, er braucht den Heiland nicht in Gebäuden und Schränken, nicht in frommen Ländern oder Legenden der Dichter zu suchen, denn er fühlt ihn, als sein eigenstes Herz, als den ersten Pulsschlag seines Wesens.
Steh' still, Vetter, sagte der Kanonikus, und laß dich einen Augenblick betrachten. Woher kommt dir diese Weisheit, die dich auf den Scheiterhaufen führen kann, wenn unser begeisterter Bischof etwas von ihr vernimmt?
Die Sorge wäre lächerlich, sagte Köstein; wer so fest steht, wie ich, wer dem Herzoge alles sagen darf, was er nur will, der kann bei diesem alten schwachen Herrn wohl andre stürzen, selbst aber niemals gestürzt werden. Ich sage dir, Vetter, ich bin dem herrlichen Fürsten unentbehrlich, und kann von ihm verlangen, was ich nur will; aber freilich darf ich ihm diese Gesinnungen auch nicht merken lassen, weil er mich nicht verstehen würde, er auch die Kirche so achtet, und die Geistlichen aufzuregen und zu bekämpfen so sehr fürchtet, daß er in seinem hohen Alter niemals auf etwas eingehen würde, was ihre Macht zu brechen drohte.
Sei also vorsichtig, sagte der Kanonikus.
Diese Vorsicht, erwiderte der Vetter, lernt sich wohl am Hofe. Ich will dir nur, dem verständigen Priester, deutlich machen, wie mir alle die Erscheinungen vorkommen, die sich hervorgetan haben, seit die Kirche mächtig und mächtiger geworden ist. Sie ist das Gefäß geworden, in welchem einzig und allein Glaube, Christentum, Heiland und Gott schweben, und nur aus diesem den durstigen Seelen mitgeteilt werden können. Außerhalb dieses Gefäßes ist die Wüste, der Tod, das Heidentum, das Böse, der Satan. Schon immer haben Denker, Fürsten und Völker sich diesem nicht fügen wollen, weil selbst der Fromme sieht, daß dort alles einem willkürlichen Aberglauben anheimfallen kann. Kluge Fürsten sahen früh ein, daß unter diesem Vorwand Papst und Klerisei die Herrschaft der Welt an sich reißen könnten. So entstanden die Kämpfe in verschiedenen Gestalten, und die Lehre der Arianer ward als Ketzerei ausgerottet, obgleich sie eine Zeitlang herrschend war. Fromme, echte Geistliche und große Päpste sahen aber auch in andern Zeiten ein, daß freche und kluge Fürsten den Vorwand, sich von der Tyrannei der Kirche und Klerisei loszureißen, nur benutzten, um sich selbst zu Tyrannen zu machen, und die Völker, zusamt der Kirche, in den Staub zu treten. Und so waren denn die geschmähten Priester wieder oft die Vertreter der Freiheit und der Tugend. Wenn einmal Krieg und Kampf sein muß, so hat dieses Ringen wenigstens eine edlere Gestalt als das Balgen und niederträchtige Raufen, welches unsre Vorfahren erlebt haben, und das unsern Nachkommen vielleicht bevorsteht. Als die Frömmigkeit in den Waldensern sich nun offenkundig als Kampf und Verfolgung gegen die Priester aussprach, und die Vernichtung dieser forderte, da war die Sache wieder so einfach und klar geworden, daß die Kirche, wenn sie nicht gestürzt sein wollte, wohl zu jenen abscheulichen Mitteln ihre Zuflucht nehmen mußte, durch welche jene armen, erleuchteten Menschen auf die gräßlichste Weise vernichtet wurden. Aber seitdem, dünkt mir, ist auch die Lehre dieser Ketzer, in tausendfachen Gestalten und Umbildungen, immer allgemeiner geworden. Gedichte, Scherze, Gelehrte, Kaufleute, Zünfte, viele von den Geistlichen, Fürsten, alles rennt, mancher selbst unbewußt, gegen die alte Kirche an, die schon vieles von ihrem Glanz und ihrer Untrüglichkeit verloren hat. Der
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