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Hexensabbat

Hexensabbat

Titel: Hexensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegrit Arens
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Jackenärmel, Tempotaschentücher und Notizblätter und Waschzettel von irgendeinem Medikament, sogar Tütchen mit Studentenfutter oder Hustenbonbons, Till fand, daß das eine Manie bei ihr wäre. Als sie versuchte, das Papier zu glätten, zitterte ihre Hand.
    Till sah nicht einmal hin. Er zog seinen zweiten Schuh aus. »Ich habe es dir angekündigt«, sagte er. »Außerdem verdienst du jetzt selbst, es ist durchaus fair, mit fünfhundert und das hier kostenlos«, seine ausgestreckte Hand beschrieb einen Halbkreis, »bist du gut bedient. Weiß Gott!«
    Anna starrte auf den Schuh, weiches braunes Leder und ohne Kniffe, er tat seine Schuhe jeden Abend auf einen Spanner, sie nicht, bei ihr sahen sogar nagelneue Schuhe nach ein paar Tagen ramponiert aus.
    Anna holte mit dem Fuß aus und kickte den topgepflegten Herrenschuh gegen die Kommode, Jugendstil, ein wertvolles Stück, Till besaß eine Expertise darüber, der Absatz des herumwirbelnden Schuhs knallte gegen das Holz und flog von dort gegen die Bodenvase, um ein Haar wäre die umgekippt. Anna hatte kräftig ausgeholt.
    »Du bist primitiv, weißt du das?« Er kam aus der Hocke hoch, stand da auf Strümpfen, musterte sie, manchmal fixierte er etwas auf seinem Teller auf diese Weise, etwas, was ihm zuwider war.
    »Ach ja?« sagte Anna.
    »Primitiv und infantil, du mußt dich gar nicht wundern. Manchmal glaube ich, du bist gar nicht mehr zurechnungsfähig.«
    »Vielleicht solltest du mich entmündigen lassen?«
    »Das wäre eine Idee. Sieh dich nur an.« Er zeigte in den Spiegel, der war fast deckenhoch und abgestimmt auf die Kommode und die Bilder. Anna folgte seinem Blick und sah sich auch, bleich und mit wirren Haaren, die Haut verquaddelt, ein Gesicht ohne feste Kontur – und daneben Till, sehr kühl und straff und top von Kopf bis Fuß. Ihr Magen wölbte sich über dem Rockbund, unter dem dünnen Polostoff ihres T-Shirts und unter dem Deckenstrahler sah die Wölbung fast grotesk aus, sie war eine fette, alte Kuh. Sie holte noch einmal aus und traf die Vase, die Splitter legten ein farbiges Muster über den fast weißen Teppichboden, sie flogen bis in die hinterste Ecke, es war ein sehr dünnes und kostbares Porzellan gewesen, ein Erbstück aus Tills Familie.
    Sein kühles und festes und straffes Gesicht entgleiste, allein das war es wert gewesen. Anna saugte sich an dem Spiegelbild fest, wie Mund und Kinn breit nach unten rutschten, er hatte einen Ansatz zum Doppelkinn, es sah aus, als ob es sich über den Kragen stülpte. Anna lachte auf, ein spitzes und befreites Lachen, gleich fängt er an zu heulen, dachte sie.
    Er kniete, er hob den Fuß der Vase hoch, der war als einziges ganz geblieben, dort, wo er bauchig werden soll te, sprangen Zacken auf, unregelmäßig, Tills Hand zitterte. Es war sowieso idiotisch, eine leere Vase ausgerechnet in der Diele auf den Boden zu stellen, nur weil sie farblich angeblich so gut dorthin paßte und ihre Wirkung durch einen Tisch gemindert würde. »Es ist eine Bodenvase, was meinst du, warum sie so heißt?« Es war eine Bodenvase, dachte Anna, der Gedanke munterte sie auf.
    »Ich bringe dich um!« Es sah lächerlich aus, wie er mit dem gezackten Ding in der Hand aufstand und auf sie zukam. Lächerlich und bedrohlich. Anna erinnerte sich daran, was ihr Vater früher gesagt hatte, wenn ein großer und gefährlich aussehender Hund auf sie zukam und ihr Angst machte: »Nie Angst zeigen und nicht zurückweichen und dem Tier in die Pupille sehen!« Anna tat einen Schritt auf Till zu, starrte ihm ins Gesicht, so ganz aus der Nähe sah er eigentlich nur noch lächerlich aus. »Armes Baby«, sagte sie, und die Handbewegung, steil aufgerichtete Finger, die dann abklappten, schwups und weg, kam wie von selbst. Er konnte sich aussuchen, was gemeint war. Im Grunde war er von Kopf bis Fuß auf Halbmast, er sah ziemlich jämmerlich aus.
     
    Später fand sie in der Küche eine säuberliche Aufstellung aller fixer Kosten. Wasser und Strom und Heizung und Müllabfuhr und Versicherungen, es hörte gar nicht mehr auf, es war eine endlose Kolonne von regelmäßig wiederkehrenden Ausgaben. Zuunterst las sie die Position »freiwilliger Unterhaltszuschuß« und in der Zahlenreihe rechts daneben »fünfhundert Mark«. Anna sah auf das Schriftbild, »Times New Roman« hieß die Schrifttype, es war die Standardeinstellung auf Tills Computer. Es war sein Coup, sogar die »ca. zweitausend Mark« für ihre Tätigkeit als Gerichtsreferendarin hatte er

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