Hexensabbat
abgestellt und war sofort wieder nach unten gegangen. Er hatte sogar die Toilette hier unten benutzt, weil er nicht wußte, ob sie gerne als erste von dem Bad mit den vielen weißen Handtüchern und von dem Kleiderschrank Besitz ergreifen wollte, er hatte nichts angetastet deswegen. »Wir müssen hochfahren«, sagte er nun leicht dümmlich.
»Das denke ich mir.« Sie lächelte. Sie gingen zu den Aufzügen. »Es ist der dritte Stock«, sagte er, »es ist eine schöne Gegend hier, lauter Villen.« Sie lächelte leise, und da fiel ihm wieder ein, daß sie fast jede Woche in Hamburg war.
Er beobachtete ihr Gesicht, sie sah sich um. »Hübsch!« sagte sie. Es war wirklich ein sehr großzügiges Zimmer mit einem Erker und einer wohnlichen Polstergruppe, dort fanden gut und gerne acht Leute Platz. Das King-Size-Bett war dezent abgetrennt vom Wohnbereich, außerdem gab es noch einen separaten Schlafraum, er hatte die Tür einen Spalt offen stehen lassen, es gab auch einen direkten Zugang vom Korridor aus.
Anette klappte ihren Koffer auf und nahm ein Necessaire heraus, sie steuerte auf die angelehnte Tür zu.
»Nicht da. Hier ist das Bad.« Till öffnete die richtige Tür.
»Und die andere da?«
»Ich habe ein Appartement mit zwei Schlafzimmern verlangt. Ich wußte nicht, wie es dir lieber ist.«
»Du bist süß.« Sie fuhr ihm mit der freien Hand durch das Haar, gegen den Strich, eigentlich mochte er das nicht, aber bei ihr mochte er es doch, und es gefiel ihm auch, wie sie das sagte: »Du bist süß.« So wie sie hatte noch keine Frau mit ihm gesprochen. »Wenn ich mich recht entsinne, sind wir beide schon ein bißchen weiter gekommen«, fuhr sie fort und nickte in Richtung King-Size-Bett.
»Es war nur pro forma.«
»Darf ich die Tür schließen?«
»O ja.«
»Und jetzt mache ich mich wirklich frisch.«
»Ja. Hast du schon Hunger?« Till sah auf seine Uhr, es ging auf eins zu.
»Und wie meinst du das?«
Er sah sie an, sie plinkerte, es war eine sehr feine Art zu plinkern. »So und so«, antwortete er, »ich persönlich habe ein bißchen Hunger auf Essen und viel Sehnsucht nach dir.«
»Schmeichler.«
»Es ist wahr.«
»So, wie du mich ansiehst, könnte ich es dir fast glauben.«
»Ich werde es dir beweisen.«
»Gnade!«
Als sie aus dem Bad kam, griff sie sofort nach ihrer Jacke, er sprang auf und half ihr, fast war er ein bißchen enttäuscht. Wenn sie nun ausgezogen und halbbekleidet zurück ins Zimmer gekommen wäre? Aber es war auch schön, daß sie so gar nichts Dreistes hatte, sie hatte die Erfahrung einer reifen Frau und überhastete nichts. Ramona kam ihm in den Sinn. Oder Andrea. Es war ein Unterschied, eigentlich war er zu beneiden. Einen Augenblick lang wünschte er sich, Anna könnte ihn so sehen.
»Gehen wir ins ‹Atlantic›?« schlug Till vor. Das »Atlantic« war first class, genauso wie die »Vier Jahreszeiten«, nur nicht ganz so unterkühlt.
»Tu mir das nicht an. Ich habe Lust auf Fisch und Salat und nicht auf französisch-hamburgische Cuisine. Was hältst du von ‹Michelsen›?«
‹»Michelsen› ist in Ordnung.« Till kannte dieses »Michelsen« nicht, das mußte er nicht unbedingt herauslassen, sie würden einfach ein Taxi nehmen.
Der Mietwagen hielt vor einem Feinkostladen, die Auslage konnte nicht mithalten mit dem, was beispielsweise das KaDeWe in Berlin zu bieten hatte, jedes moderne Kaufhaus machte schon mehr her, dieses »Michelsen« sah aus wie ein in die Jahre gekommenes Geschäft, links der Verkauf und rechts ein aufgepeppter Imbiß.
»Hier?« fragte Till sicherheitshalber.
»Gefällt es dir nicht? Ich dachte, du kennst ‹Michelsen›.«
»Schon. Ich hatte es wohl irgendwie größer in Erinnerung.«
»Ein Glück, daß es nicht größer wird. Dann käme bald keiner von den Stammgästen mehr hierher. Da drinnen sitzen praktisch nur Stammgäste.«
Immerhin kann man sitzen, dachte Till und sah auf die zwei Riesentische, an denen die Leute wie an einer Theke saßen, nur rundum; an jede der vier Seiten paßten drei bis vier Gedecke. Till hatte sich ein erlesenes Menü zu zweit vorgestellt. Aber das konnten sie abends nachholen, und morgen auch noch, es gab viele Frauen, die mittags so gut wie nichts aßen, um ihre Figur zu halten. Anette war immerhin achtundvierzig.
Der Kellner brachte die Karte. Er war nicht allzu verbindlich, gerade nur höflich; immerhin lächelte er Anette an, er schien sie zu kennen. Als er mit der Bestellung wegging, sagte Anette: »Ich mag
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