Hexenschuss: Tannenbergs dreizehnter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
des Fichtenwäldchens, aus dem sie eine Viertelstunde zuvor aufgetaucht war.
200 Meter von Richard Blessings Grundstück entfernt hatte sie unter Reisig einen geräumigen Rucksack versteckt. Sie kniete sich auf den federnden Fichtennadelboden nieder, zerlegte ihre Flinte in die Einzelteile und verstaute sie. Dann wechselte sie die Schuhe, zog den Jagdmantel aus und stopfte die Sachen ebenfalls in den Rucksack.
Nun sah sie aus wie eine harmlose Naturliebhaberin, die durch den herrlichen Pfälzerwald wanderte. In der Nähe des Drehentalerhofs hatte sie ihren Renault Twingo auf einem Waldparkplatz abgestellt. Sie setzte sich auf den Fahrersitz, legte die Arme auf das Lenkrad und schnaufte mehrmals kräftig durch.
Hat ja schon wieder alles wunderbar geklappt, sagte sie zu sich selbst, während sie den Kleinwagen startete. Ich hätte niemals gedacht, dass es so einfach ist, Menschen zu töten.
Vielleicht sollte ich den Beruf wechseln und als Profikillerin arbeiten. Damit würde ich bedeutend mehr verdienen als mit dieser blöden Schriftstellerei. Sie legte den Kopf schief und nickte.
Diese Adrenalinkicks sind auch nicht von schlechten Eltern. Wann hatte ich solche geilen Gefühle zum letzten Mal? Vicki kicherte. Am Schreibtisch bestimmt nicht. Die Macht, das Leben dieser Scheißkerle mit einer einzigen kleinen Krümmung des Zeigefingers auszulöschen – einfach affengeil!
Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Bis zum Treffen sind es noch gut zwei Stunden. Da hab ich ja genügend Zeit für die Badewanne, freute sie sich. Vorschriftsmäßig setzte sie den Blinker und schwenkte auf die Landstraße ein.
Vicki fuhr zunächst dieselbe Strecke zurück, auf der sie in die Nähe des Drehenthalerhofs gelangt war. Doch in Erlenbach bog sie an der Ampel links ab. Der PS-schwache Twingo quälte sich die Steigung hinauf zu den Husarenäckern, wurde dann aber mit einer mühelosen Fahrt hinunter durch den Gersweilerhof ins Eselsbachtal belohnt.
Zehn Minuten später schloss Vicki ihre kleine, lieblos eingerichtete Zwei-Zimmerwohnung in der Wiesenstraße auf. Ihren Schreibtisch, auf dem das Manuskript ihres neuen Theaterstücks seit vielen Wochen auf eine Weiterbearbeitung wartete, bedachte sie mit einem abschätzigen Blick und huschte ins Bad.
Sie schaltete das Radio ein, ließ heißes Wasser in die Wanne laufen und gab reichlich Schaumbad hinzu. Dann riss sie sich förmlich alle Kleider vom Leib, warf sie auf den Wäscheberg neben der Toilette und stieg in die Wanne. Es dauerte eine ganze Weile, bis die Badewanne bis zum Rand gefüllt war. Aber das störte sie nicht, schließlich blieb ihr noch ausreichend Zeit bis zu ihrem wichtigen Termin.
Nun habe ich bereits zwei perfekte Morde begangen, dachte sie. Wie sollen mir diese blöden Bullen denn jemals auf die Schliche kommen? Die können doch nie und nimmer das Motiv entschlüsseln, das hinter den Anschlägen steckt.
Und schon gar nicht kommen diese Dummbullen auf die Idee, dass eine zarte, unscheinbare Frau wie ich eine eiskalte Mörderin sein könnte. Warum auch sollte eine engagierte, sozialkritische Schriftstellerin sich urplötzlich in eine männermordende Killermaschine verwandeln?
Aus purem Übermut fuhr sie mit der Hand durch den hoch aufgetürmten, schneeweißen Schaumberg und pfropfte sich einen Schaumklacks auf die Nase. Damit sehe ich bestimmt lustig aus, wie ein Clown, freute sie sich im Stillen. Sie lehnte sich zurück, legte den Kopf auf den Wannenrand und paddelte mit den Füßen in dem weichen, wohltemperierten Badewasser.
»SWR 1 aktuell«, tönte es plötzlich aus dem uralten Kofferradio, das Vicki noch aus ihrer wilden Wohngemeinschaftszeit besaß. »Wie unser Kaiserslauterer Studio soeben aus gut unterrichteten Kreisen erfahren hat, wurde vor knapp drei Stunden in Otterberg ein weiterer heimtückischer Mordanschlag verübt.
Wieder handelt es sich bei dem Anschlagsopfer um einen prominenten Pfälzer. Der 54-jährige Richard Blessing wurde auf seinem Villengrundstück aus dem Hinterhalt erschossen. Blessing war Vorsitzender der Rheinland-Pfälzischen Mittelstandsvereinigung und Geschäftsführer der CARSAS-AG.
Nach Norbert Basler, dem Personalvorstand der Pfalzbank, wurde nun innerhalb von nur 48 Stunden ein weiterer regionaler Spitzenmanager ermordet. Die Bevölkerung ist schockiert – und die Kriminalpolizei steht offenbar vor einem Rätsel.
Zu Spekulationen, eine militante linksextreme Gruppierung hätte sich inzwischen zu den Attentaten
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