Hexenschuss: Tannenbergs dreizehnter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Originalton Dr. Rainer Schönthaler.«
»Also davon träumt unser Doc immer, wenn er geistig abwesend ist«, entgegnete die junge Kommissarin fröhlich. »Jetzt ist mir einiges klar. Irgendwie sind doch alle Männer gleich.«
»Wie meinst du denn das?«, wollte Tannenberg wissen.
Sabrina lächelte. »Kein Kommentar«, erwiderte sie und deutete in die Anliegerstraße hinein. »Da vorne ist die Villa.«
»Schön, dass diese Gaffer und Pressegeier endlich weg sind, die heute Nacht das Haus belagert haben.«
»Die Absperrbänder sind auch schon entfernt worden. Richtig still und friedlich ist es wieder. Als sei hier nie etwas Schlimmes geschehen.«
Erst nach dem dritten Läuten summte an dem mannshohen, schmiedeeisernen Gartentor der Türöffner und gewährte den Kriminalbeamten Zutritt zu einem sehr gepflegten Grundstück. Die beiden Ermittler nahmen einen mit Kopfsteinpflaster ausgelegten Pfad, der rechts an der Villa vorbeiführte. Hinter dem Haus ging es eine Treppe hinunter zu einer Kunststofftür, die angelehnt war.
Tannenberg und seine Mitarbeiterin betraten einen schmalen, dunklen Flur, der am anderen Ende matt erleuchtet wurde. Ein leicht modriger, abgestandener Geruch kroch ihnen in die Nase. Offenbar war die Wohnung schon lange nicht mehr gelüftet worden.
In dem nur spärlich eingerichteten Wohnzimmer erwartete sie die Frau des ermordeten Gerichtspräsidenten. Die Rollläden waren halb heruntergelassen, die Vorhänge zugezogen, wodurch nur wenig Licht in den Raum sickerte.
Wie ein Häuflein Elend kauerte sie in sich zusammengesunken auf einem einzelnen Couchsessel. Ihr starrer Blick war auf den flackernden Docht einer großen weißen Kerze gerichtet, die mutterseelenallein auf einem niedrigen Glastisch stand.
Erst als Sabrina im Türrahmen auftauchte, hob die Frau den Kopf und ein müder, trauriger Blick wanderte an Tannenbergs Lederjacke nach oben. Der Leiter des K 1 trat zu ihr hin, wohingegen sich seine Begleiterin dezent im Hintergrund hielt.
Der Kriminalbeamte räusperte sich verhalten. »Erlauben Sie mir, dass ich Ihnen, auch im Namen meiner Kollegen, unser aufrichtiges Beileid ausspreche«, sagte Tannenberg. »Gestern während der ganzen Aufregung bin ich leider nicht dazu gekommen«, schob er entschuldigend nach. Er griff die schlaffe, kalte Hand der Witwe und drückte sie kurz.
»Danke für Ihr Mitgefühl«, kam es mehr gehaucht als gesprochen über die farblosen Lippen der Trauernden. »Nehmen Sie doch bitte Platz«, sagte sie. Die Frau hüstelte hinter vorgehaltener Hand, legte sie zurück in den Schoß und starrte auf den Boden.
Ihre beiden Besucher nahmen direkt gegenüber auf einer Cordcouch Platz. Sabrina war sofort aufgefallen, dass die Frau denselben stilvollen schwarzen Hosenanzug und dieselben schwarzen Designerschuhe trug wie gestern Abend bei Dr. Hollerbachs Abschiedsgala.
Doch Hose und Jackett waren nun zerknittert, und die gestern noch hochglänzenden Schuhe waren leicht verdreckt.
Die Witwe des Gerichtspräsidenten wirkte stark übernächtigt. Man konnte den Eindruck gewinnen, sie habe in ihren Kleidern geschlafen. Sie war ungeschminkt, wodurch unter den geröteten Augen deutlich graue Schatten zu erkennen waren. Die tiefen Falten in Gesicht und auf der Stirn legten ein stummes Zeugnis über ihre derzeitige mentale Verfassung ab.
Obwohl Tannenberg in diesen Dingen nicht unbedingt der sensibelste und aufmerksamste Zeitgenosse war, hatte auch er die radikalen Veränderungen bemerkt.
Da sieht man mal, welche seltsamen Kapriolen das Leben manchmal schlägt, dachte er bei sich. Dieses einst so noble Outfit kann man ebenso für eine festliche Jubelgala wie für eine Trauerfeier verwenden.
»Anbieten kann ich Ihnen leider nichts«, kam es der Witwe gepresst über die Lippen. In unserer Einliegerwohnung lebte bis vor einigen Jahren meine Schwiegermutter. Seitdem steht sie leer.«
Sie deutete mit dem Finger zur Decke empor. »Oben kann ich mich zurzeit nicht aufhalten«, sagte sie mit tränenerstickter Stimme. »Vielleicht schaffe ich es nie mehr, da oben zu leben.« Sie seufzte tief. »Nach allem, was dort Schreckliches geschehen ist.«
»Das können wir sehr gut verstehen«, meinte Sabrina einfühlsam.
»Haben Sie hier unten die letzte Nacht verbracht?«, wollte Tannenberg wissen.
Die Witwe fasste sich an die Kehle, schluckte hart und senkte abermals den Blick auf den Teppichboden. »Ja, allerdings eine sehr unruhige«, keuchte sie. »Ich habe kein Auge zugekriegt.
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