Hexenschuss: Tannenbergs dreizehnter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Tannenberg die Haustür seines Elternhauses aufschloss, telefonierte Jacob mit seiner Schwiegertochter. Als der Leiter des K 1 und Sabrina die elterliche Wohnung betraten, legte der Familienvorstand gerade den Hörer auf.
»Betty kommt gleich«, erklärte der rüstige Rentner und umarmte seinen Sohn. »Meinen allerherzlichsten Glückwunsch, Junior.«
»Jetzt mach mal nicht so ’n Wind«, raunzte Wolfram Tannenberg, während sich Sabrina an den gedeckten Frühstückstisch setzte.
Jacob löste die Umklammerung und fixierte den Chef-Ermittler mit einem stechenden Blick. »Was willst du denn von Betty wissen?«, fragte er.
»Das wirst du gleich erfahren, du alter Naseweis«, konterte Tannenberg und schob sich an ihm vorbei in die ausgebreiteten Arme seiner Mutter.
»Ach, mein lieber Wolfi«, seufzte Margot und drückte ihren jüngsten Sohn nun ebenfalls ans Herz. »Wir sind alle so unheimlich stolz auf dich.«
Jacob klopfte ihm von hinten so fest auf die Schulter, als wolle er einen Ackergaul zum Weiterlaufen bewegen. »Respekt, Junior!«, stieß er noch einmal in dasselbe Horn. »Gestern hast du doch noch nicht einmal im Traum daran gedacht, dass dein neuer Fall eine derart schnelle und überraschende Wendung nehmen könnte, oder?«
»Nein, das konnte wirklich keiner ahnen«, stimmte der Ermittler zu.
Jacob grunzte kopfschüttelnd. »Stürzen sich diese brutalen Mörderinnen vom Jungfernsprung aus in den Tod. Wie hoch ist der eigentlich?«
»Soviel ich weiß circa 60 Meter«, antwortete sein jüngster Sohn.
Jacob fasste sich an den Hals und strich über seinen markanten Adamsapfel. »Wow, das sind ja sechs 10-Meter-Sprungtürme übereinandergesetzt«, stieß er aus. »Das muss man sich mal vorstellen.« Er nickte und knetete sein unrasiertes Kinn. »Also, wenn da einer unten aufschlägt, ist er garantiert nur noch Matschepampe.«
Margot warf ihrem Ehemann einen tadelnden Blick zu.
Der Senior lachte hämisch auf. Er packte seinen Sohn mit beiden Händen an den Schultern. »Und du alter Hosenschisser hast dich in der Waschmühle noch nicht einmal aufs 5-Meter-Brett getraut, geschweige denn auf den 10-Meter-Turm.«
»Und du bist ja noch nicht mal vom 1-Meter-Brett gesprungen«, konterte Wolfram Tannenberg.
»Weil ich nicht schwimmen kann. Oder hätte ich vielleicht absaufen sollen, he?« Der Senior hob drohend den Zeigefinger. »Aber eins sag ich dir: Wenn ich schwimmen könnte, würde ich sogar heute noch vom 10-Meter-Turm springen.«
Tannenberg verzog seinen Mund zu einem schiefen Grinsen.
»Stürzen die sich einfach so vom Jungfernsprung in den sicheren Tod«, meinte Jacob kopfschüttelnd. »So etwas hätte es früher nicht gegeben. Na ja, andererseits war es an deren Stelle vielleicht sogar das Beste, was sie tun konnten.«
Jacob fasste seinen Sohn scharf ins Auge. »Habt ihr eigentlich schon ein Tatmotiv für diesen wahnsinnigen Amoklauf? Ich meine, warum haben die das denn getan?«
»Mein lieber Sherlock Holmes aus der Beethovenstraße, mir ist durchaus bekannt, was ein Tatmotiv ist. Aber in dieser Frage tappen wir leider noch völlig im Dunkeln. –Übrigens kann man diese Anschlagsserie nicht als Amoklauf bezeichnen, denn die einzelnen Taten liegen zeitlich mindestens einen Tag auseinander.«
»Klugscheißer, Besserwisser, Erbsenzähler«, grummelte Jacob. Er raufte sich die schlohweißen Haare und ging zum Fenster. »Was ist das nur für eine verrückte Welt, wo Frauen so etwas tun?«, murmelte er vor sich hin.
Sein Sohn griff die Bemerkung auf. »Du meinst, Verbrechen zu begehen, die normalerweise nur wir Männer verüben?«, fragte er.
Der Senior nickte mit zusammengepressten Lippen.
»Tja, lieber Vater, das nennt man Emanzipation! Selbst dieses Monopol machen uns die modernen Frauen streitig.«
»Sag ich doch: bekloppte Welt.«
»Wo bleibt denn eigentlich Betty?«, wollte der Chef-Ermittler wissen.
»Vorhin am Telefon hat sie mir versprochen, gleich rüberzukommen«, erklärte Jacob. Anschließend ging er ins Wohnzimmer, kehrte aber gleich wieder zurück. »In der Zwischenzeit kannst du mir bitte diese Autogrammkarten unterschreiben.«
»Das sind ja Fotos von mir«, stieß Tannenberg entsetzt aus, als er sein Konterfei auf einem Stapel postkartengroßer Ausdrucke entdeckte. »Was soll das, Vater? Bin ich jetzt ein Popstar, oder was?«
Jacob reichte ihm eine der Autogrammkarten. »Nee, aber du bist fast genauso berühmt wie ein Popstar«, entgegnete der Rentner. »Was meinst du wohl,
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