Hexenschuss: Tannenbergs dreizehnter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
genötigt. »Nein, nein, das stimmt nicht«, behauptete er. »Mein alter Freund Wolf konnte nicht wahnsinnig werden . Denn er war es bereits, als ich ihn kennenlernte. Und ich kenne ihn wirklich schon sehr, sehr lange.«
Wie üblich ignorierte Tannenberg den Einwurf seines Freundes. »Als wir Sie gestern Morgen zu Hause aufgesucht haben, ahnten wir natürlich schon das Meiste von dem, was wir nun definitiv wissen«, erläuterte er an die Witwe gerichtet. »Trotzdem haben wir in Ihrem kleinen Theaterstück gerne mitgespielt.« Tannenberg sah Sabrina an. »Und zwar gar nicht mal so schlecht, wie ich finde. Vielleicht sollten wir bei der Katzweiler Freilichtbühne anheuern. Na, was hältst du davon, Sabrina?«
»Warum nicht!«, antwortete die Kommissarin fröhlich.
Die beschuldigte Staatsanwältin reagierte nicht, sondern starrte mit zusammengekniffenen Lippen auf ihr unangerührtes Kuchenstück.
»Diese Farce von der trauernden, apathischen Witwe hatte schon etwas wirklich Theatralisches, das muss ich neidlos anerkennen«, sagte der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission. Anschließend hob er die Arme zu einer beschwörenden Geste.
»Was war das doch für ein göttlicher Anblick«, rief er zur Decke empor: »Die in tiefster Trauer versunkene, totenbleiche Witwe sitzt in derselben schwarzen Galakluft vor uns, die sie am Abend zuvor bei der Abschiedsfeier getragen hat.«
Wolfram Tannenberg stemmte die Ellbogen auf die Tischplatte und faltete die Hände. »Allerdings vermute ich, dass Sie nicht mit diesen edlen Designer-Klamotten auf dem Jungfernsprung herumgekraxelt sind, sondern Wanderkleidung und festes Schuhwerk trugen. Beides haben Sie natürlich noch in der Hexennacht irgendwo in Pirmasens oder in Ihrem heißgeliebten Saarland in einem Altkleidercontainer entsorgt. Stimmt’s?«
Der Kommissariatsleiter stopfte sich etwas Apfelkuchen in den Mund und spülte ihn mit einem großen Schluck Kaffee hinunter. Danach fischte er mit der Zunge nach Kuchenresten, trank einen weiteren Schluck und fuhr schmatzend fort: »Aus Ihrer Sicht haben Sie strategisch richtig und logisch gehandelt«, sagte er.
»Denn als Ermittlungsprofi wussten Sie natürlich genau, dass unsere begnadeten, akribischen Kriminaltechniker Faserreste der Kleidung Ihrer Freundinnen an Ihren eigenen Klamotten finden würden. Folglich mussten Sie Ihre Kleidung entsorgen.«
»So wie Sie hier herumfantasieren, müssten Sie eigentlich hohes Fieber haben«, spottete die Witwe.
Grinsend legte ihr Widersacher eine Hand auf seine Stirn. »Nee, da muss ich Sie leider enttäuschen, Frau Staatsanwältin. Mein Kopf und ich sind total cool.« Er schenkte sich seine Tasse voll und gab einen Schuss Milch hinzu. »Als wir das alles begriffen hatten, war uns natürlich schlagartig klar, weshalb Sie gestern Morgen total übernächtigt aussahen«, sprach Tannenberg weiter. Er ließ einen Zeigefinger hervorschnellen. »Logo, Sie hatten schließlich in der Hexennacht kein Auge zugemacht.«
Der Finger verschwand wieder in der Faust. »Kein Wunder, denn Sie sind zuerst in der Gegend herumgegondelt, um Ihre Kleider loszuwerden. Und als Sie das erledigt hatten, sind Sie in die Wohnungen Ihrer ermordeten Freundinnen eingedrungen, haben diese gründlich durchsucht und alle Hinweise vernichtet, die sie mit Ihnen in Verbindung bringen könnten.«
Extrem breites, schadenfrohes Grinsen. »Schlau – aber eben nicht schlau genug«, tönte der Chef-Ermittler. Er steckte eine Hand in die Hosentasche und spielte mit seinem Schlüsselbund herum.
Die Staatsanwältin verzog spöttisch das Gesicht. »Ach, finden Sie?«, fragte sie keck.
Wolfram Tannenberg ließ sich nicht provozieren. Er fuhr fort: »Und den Rest der Walpurgisnacht haben Sie garantiert damit zugebracht, Ihren vermeintlich genialen Coup in aller Selenruhe zu feiern.« Er zuckte mit den Schultern. »Vielleicht findet die Spurensicherung ja irgendwo die von Ihnen geleerte Flasche Schampus.«
»Mein lieber Herr Hauptkommissar, was Sie uns hier so alles erzählen, hat ja zugegebenermaßen einen gewissen Unterhaltungswert«, meldete sich der Polizeipräsident zu Wort. »Doch folgen kann ich Ihnen ehrlich gesagt nicht. Gestatten Sie mir deshalb bitte zwei klitzekleine Frage zwischendurch?«
»Aber sicher doch, Herr Schmelzer«, zeigte sich Tannenberg großzügig.
»An diesen Fragen sollten Sie sich aber nicht weiter stören, mein lieber Herr Hauptkommissar«, meinte der Polizeipräsident. Während seine Stimme
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