Hexenschuss: Tannenbergs dreizehnter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
von mir aus«, lenkte Willenbacher ein. Er stellte seinen Stuhl wieder auf und ließ sich schlaff darauf niedersinken. »Ich fürchte, durch Ihre haltlose Provokation ist mein Termin eh geplatzt.«
Herausfordernd verschränkte der Oberstaatsanwalt die Arme vor der Brust. »Ich bin sehr gespannt, wie Sie sich aus dieser delikaten Lage befreien wollen.« Er drohte mit dem Finger. »Dass diese ungeheuerliche Unterstellung gravierende dienstliche Konsequenzen für Sie haben wird, dürfte Ihnen klar sein.«
Mit devoter Körperhaltung mimte Tannenberg einen gerade abgekanzelten Lehrling. »Natürlich ist mir das klar, Herr Oberstaatsanwalt«, erwiderte er nickend. Dann streckte er siegessicher die Brust heraus und tönte über die Köpfe der Anwesenden hinweg: »Aber davor habe ich absolut keine Angst. Darf ich nun zur Schimäre zurückkehren?«
Willenbacher gab sich endgültig geschlagen. Er stöhnte gequält auf und winkte ab. »Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an.«
»Es sollte so aussehen«, begann Tannenberg nebulös, »zwei Mörderinnen stürzen sich von einem Felsen herab in den sicheren Tod.« Erst nach einer kleinen Kunstpause redete der Chef-Ermittler weiter: »Mögliche Erklärungen für den gemeinsamen Suizid: Angst vor Entdeckung, Angst vor Trennung, Angst vor dem Gefängnis et cetera pp.«, fabulierte er munter drauflos.
»Doch dann haben wir dieses Trugbild durchschaut.« Tannenberg klatschte in die Hände. »Und siehe da: Vor uns tauchte plötzlich das ganze mosaikartige Originalbild auf. Wissen Sie, was wir uns gefragt haben?«
Die rhetorische Frage waberte eine Weile unkommentiert durch den Seminarraum. Wolfram Tannenberg beantwortete sie selbst: »Könnte es nicht auch völlig anders gewesen sein? Sind die Frauen womöglich gar nicht freiwillig gesprungen, sondern wurden den Abhang hinabgestoßen?«
Agnes Rottmüller-Klomann schnaubte verächtlich. »Von wem? Etwa von mir?«
Der Ermittlungsleiter ignorierte den Einwurf. »Ein Doppelmord begangen von einer dritten oder gegebenenfalls auch noch von einer vierten Person?«, fragte er in die Runde.
Tannenberg wischte sich einen Kuchenkrümel vom Ärmel. »Diese wilde Spekulation warf ein völlig neues Licht auf den mysteriösen Fall«, fuhr er fort. »Also haben wir unsere Kollegen aus der kriminaltechnischen Abteilung noch in derselben Nacht hoch auf den Jungfernsprung geschickt.«
Sein Blick wanderte zu Mertel, der gerade einen Bissen Apfelkuchen verspeiste. »Und siehe da: Die alten Schnüffler haben tatsächlich Abdrücke von drei verschiedenen Schuhpaaren entdeckt.«
»Also definitiv ein Hinweis auf eine weitere Person«, murmelte der Polizeipräsident vor sich hin.
»Die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tatzeitpunkt auf der Aussichtsplattform aufgehalten hat«, ergänzte der Chef der Kaiserslauterer Mordkommission.
»Wie können Sie dessen so sicher sein?«, wollte der Oberstaatsanwalt wissen. »Die Fußspuren müssen schließlich nicht zur selben Zeit entstanden sein.«
»Eben doch!«, entgegnete Tannenberg so schnell, als habe er auf diesen Einwurf nur gewartet. »Am späten Samstagabend«, er machte eine flatternde Handbewegung, »so zwischen 21 und 22 Uhr ist ein kurzer, aber sehr kräftiger Regenschauer Schauer über Dahn niedergegangen. Er hat alles, was vorher an Fußspuren dort oben zu finden war, weggespült und ein Terrain hinterlassen, in dem sich jeder neue Abdruck wie in frischgefallenem Schnee abzeichnete.«
»Dieser Aspekt ist wirklich hochinteressant«, sagte Werner Schmelzer. »Bitte fahren Sie fort.«
Tannenberg nickte. »Sehr gern, Herr Polizeipräsident«, erwiderte er betont förmlich. »Dürfte ich bitte mal Ihr Handy sehen, Frau Staatsanwältin?«, fragte er mit aufgesetzter Höflichkeit.
»Wieso?«
Der Kriminalbeamte blies die Backen auf. »Ach, es interessiert mich einfach«, erwiderte er in einem Ton, als wolle er irgendeine Belanglosigkeit wissen.
»Ach so, es interessiert Sie einfach«, spottete Agnes Rottmüller-Klomann. »Sie sind ganz schön dreist und penetrant.«
Tannenberg grinste breit. »Danke für die Blumen, Frau Staatsanwältin.«
Die Witwe des Gerichtspräsidenten grunzte höhnisch und nagelte ihr Gegenüber mit einem stechenden Blick regelrecht an die Wand. »Glauben Sie tatsächlich, ich händige Ihnen freiwillig mein Mobiltelefon aus? Haben Sie noch nie etwas von Datenschutz gehört?«, provozierte sie Tannenberg.
»Sicher habe ich das,
Weitere Kostenlose Bücher