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Hexenseelen - Roman

Hexenseelen - Roman

Titel: Hexenseelen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Krouk
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gefeiert, und womöglich würden sie es auch nicht bis dahin schaffen. Dafür bewiesen sie Raffinesse im Dealen, waren vorbestraft und hatten ihre Viertel fest im Griff. Sie alle gehörten zu verschiedenen Gangs und standen trotzdem hier beisammen, um den Worten des Messias zu lauschen. Denn der Feind kam nicht aus einem anderen Bezirk,
das hatten sie bereits begriffen. Der Feind war der, der ihre Zukunft zu zerstören drohte. Der Feind, das waren die Verblendeten.
    Die jungen Gesichter blickten finster drein, unter der Kleidung verbargen sich die Schlagstöcke, Messer und Schusswaffen. Die Nachzehrer hielten Abstand zu den Lebenden, was Stella gut verstehen konnte. Zu unberechenbar war dieser Pöbel. Zu viele von ihnen hatten sich hier versammelt. Was unweigerlich die Frage aufkommen ließ: Wie wollte der Erlöser sie alle kontrollieren? Seine mentalen Fähigkeiten müssten unermesslich sein. Dennoch duldeten die Lebenden und die Untoten einander. Zumindest noch.
    Ein Klacken von Stilettos auf Gehwegplatten erklang, das zu der angespannten Stimmung, die über dem Platz lag, nicht so recht passen wollte. Mit einem Mal kam es Stella vor, als stünde sie an einem Filmset und gerade würde eine neurotische Regieassistentin auftauchen, um neue Anweisungen für den Dreh zu erteilen. Doch es war keine Assistentin, die sich da näherte, sondern eine groß gewachsene, schlanke Frau, die in ihrem figurbetonten Mantel von der Farbe reifer Preiselbeeren alle Blicke auf sich zog. Ihr Haar war straff zu einem Chignon aufgesteckt. Allein beim Anblick der Frisur schmerzte Stella die Kopfhaut. Der Teint der Frau erinnerte an Ebenholz, die afrikanisch anmutenden Gesichtszüge wirkten zart und exotisch. Eine Kette aus großen braunen Perlen, die ihr bis zum Bauch reichte, baumelte bei jedem ihrer Schritte hin und her.

    Unwillkürlich zuckte Stella zusammen, als sie begriff, wen die Dame im Visier hatte. Die Frau defilierte an dem Aldi-Laden vorbei und schlüpfte zu ihr in den Hauseingang. Es war zu spät, um wegzulaufen, um sich noch zu verkriechen.
    Lächerlich. Als ob man vor einer Mächtigen fliehen könnte!
    »Oya!«, begrüßte Stella sie, als diese auf Armeslänge von ihr entfernt stehen blieb. »Dass du uns mit deinem Besuch ehrst …« Die Zunge bewegte sich träge in ihrem Mund und schien ihr am Gaumen zu kleben. Denn es bedurfte nur einer Berührung dieser Frau, und sie würde zu Staub zerfallen, aufhören zu existieren, für immer. In der Gegenwart einer Mächtigen fühlte sich jeder Nachzehrer sterblich.
    Die vollen Lippen, durch den rubinroten Lippenstift betont, verzogen sich zu einem Lächeln. Stella konnte ihren Blick nicht abwenden, völlig gebannt von so viel Schönheit. Denn dieser Kussmund löste in ihr ein seltsames Verlangen aus, Fantasien, die irgendwo tief in ihr schlummerten. Sie wollte ihn schmecken, an ihm saugen, bis sie … Stella blinzelte. Was war in sie gefahren? Hatte sie sich gerade tatsächlich ausgemalt, wie es war, eine Frau zu küssen? Noch mehr erschreckte sie die Vorstellung, dass es ihr tatsächlich gefallen könnte. Verflucht. Das kam davon, wenn man sein Sexleben vernachlässigte.
    Mit einer Schulter lehnte sich Oya gegen die Backsteinwand. Ihre langen, perfekt manikürten Finger spielten mit
den Perlen ihrer Kette. Das Rasseln des Schmuckes und das Rauschen des Regens lullten Stella wie ein Gutenachtlied ein. Es schien ihr, als kämen die Geräusche nicht von außen, sondern aus ihrer eigenen Seele. Das seltsame Gefühl, sich in der Realität völlig aufzulösen, ergriff sie.
    »Stella. Ich habe gehört, du hast versagt. Der Erlöser ist unzufrieden mit dir. Dabei saßen seine Feinde schon in der Falle, und du hast sie entkommen lassen.«
    Stella spürte, wie das Blut aus ihren Wangen wich, als der warme Savannenwind ihr Gesicht streifte. Oder bildete sie sich das nur ein? Gebannt verfolgte sie jede Bewegung von Oyas Händen. Nur eine Berührung … nur eine, und …
    Die Klauen der Angst drohten ihren Brustkorb zu zerdrücken. Sie stöhnte. Was für eine Qual, stets zwischen der Furcht und einer Art Trance zu schwanken. Am liebsten hätte sie die Mächtige auf Knien beschworen, diese Folter zu beenden. Aber sie wusste, wie wenig ihr Flehen - ach was: das Flehen der ganzen Menschheit - der Hexe bedeutete.
    Genauso wenig wie ihre kläglichen Versuche, sich zu rechtfertigen: »Ich konnte nicht ahnen, dass die Metamorphe und die Nachzehrer ihre Kräfte vereinen würden. Außerdem war da diese

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