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Hexenseelen - Roman

Hexenseelen - Roman

Titel: Hexenseelen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Krouk
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Verblendeten, die dem Weg des Messias nicht folgen wollen, endgültig zu zerschlagen.«
    »Der Erlöser kann sich auf mich verlassen.«
    Zufriedenheit zeichnete sich auf Oyas Gesicht ab. »Daran habe ich absolut keine Zweifel, meine Liebe.« Der
Blick, den sie auf Stella warf, strotzte von Unbeschwertheit und Verspieltheit, die ganz und gar nicht zu einer Mächtigen passten. Aber wenn man tiefer in ihn eintauchte, wirkten die Gefühle so ursprünglich wie das Allererste, was in dieser Welt überhaupt empfunden wurde. Das einzig Wahre seit Anbeginn der Zeit.
    Laute Stimmen lenkten Stella ab. Noch zwischen dem Jetzt und der göttlichen Einwirkung gefangen, schaute sie umher und bemerkte, wie intensiv - und seltsam verzerrt - ihre Wahrnehmung der Realität wurde. Sie schmeckte die kalte Herbstluft auf ihrer Zunge, schluckte die Luft, als würde sie ertrinken, als wären es die ersten Atemzüge, die sie machte.
    In der Nähe entbrannte ein Streit. Zwei Jugendliche standen Angesicht zu Angesicht wie Kampfhähne, bereit, aufeinander loszugehen. Hinter ihnen hatten sich zwei Gruppen gebildet. Die Restlichen, die weder zu der einen noch zu der anderen Gang gehörten, machten Platz.
    Stella schaute zurück zu der Hexe, doch diese war verschwunden. Kein Klacken der Absätze, kein preiselbeerroter Tupfer vor der nächtlichen Kulisse des Viertels war zu sehen. Einfach in Luft aufgelöst - oder vielmehr: im Schattenreich.
    Die Streitenden wurden lauter, tauschten die üblichen Drohungen aus: »Willst du eins in die Fresse, du Arschloch?« - »Mach weiter dein Maul auf, und ich putz dir die Zähne mit dem Schlagstock.« Dann stürmten sie aufeinander los.
    Natürlich hätte Stella die Auseinandersetzung schnell
beenden können, aber diese amüsierte sie, und das Krankenhaus lag eh nicht weit entfernt. Auch wenn sie sich natürlich nicht auf das Niveau herabließ, die Prügelei anzufeuern, wie es die Umstehenden taten.
    Bis es von einer Sekunde auf die andere still wurde. Beinahe totenstill. Nur der Regen rauschte auf den Platz nieder. Mitten im Schlagabtausch hielten die Streitenden inne, wandten die Köpfe, schauten dorthin, wohin all die anderen Versammelten - ob Menschen oder Nachzehrer - ebenfalls starrten. Auch Stella lugte aus ihrem Versteck, reckte den Hals, um besser sehen zu können, und stierte angestrengt in die Dunkelheit, über die unzähligen Köpfe hinweg.
    Der Messias hatte den Platz betreten und war auf die Stufen der von Bodenstrahlern beleuchteten Alten Küche, eines historischen Baus mit einem auffallenden Wasserturm, gestiegen, und seine Gestalt wirkte imposanter noch als dieser Turm und eroberte augenblicklich die Aufmerksamkeit jedes Einzelnen. Einige blickten mit Zweifel, die anderen mit Hoffnung oder ungeduldigem Interesse - doch ganz egal, was jeder suchte, warum er hierhergekommen war: Stella überkam die Gewissheit, dass alle hier das finden würden, wonach sie sich sehnten. Auch sie selbst. Obwohl sie ihre eigene Sehnsucht nicht einmal in Worte fassen konnte.
    Regungslos stand der Messias da, in einen weiten Kapuzenmantel gehüllt, in dem er unwirklich erschien, in der Dunkelheit verloren. Erwartungen und Neugier nährten die Spannung, bis sie beinahe greifbar war. Dann
sprach er. Bloß zwei Worte, die Stellas Herz einen Schlag aussetzen ließen.
    »Wir leben.«
    Zum ersten Mal hörte sie seine Stimme, die sie sich so oft vorzustellen versucht hatte. Wie mochten wohl die Wahrheit, die Hoffnung und die Heiligkeit klingen, die sie immer ergriffen, wenn sie mental mit dem Erlöser kommunizierte?
    Hell klangen sie. Irdisch und zugleich erhaben. Bewegend.
    Die Stimme hätte einem jungen Menschen gehören können, einem Mädchen oder einem Jungen - was spielte das für eine Rolle? Das, was Stella plötzlich begriff, war viel wichtiger und besser als alles, worauf sie zu hoffen gewagt hatte. Der Messias war einer von ihnen. Wie sie selbst. Wie jeder Einzelne dieser Versammelten.
    Der Erlöser hob die Arme und schickte seine Worte mit einer Intensität in die Menge, die Stella eine Gänsehaut bereitete: »Wir leben, obwohl die um uns herum uns liebend gern tot sehen würden. In zugenagelten Särgen unter der tonnenschweren Erde begraben. Sie denken, solche wie wir haben kein Recht auf einen Platz unter dem Himmel. Sie verleugnen uns, sie haben Angst vor uns, und sie versuchen mit aller Gewalt, uns unter Kontrolle zu halten.«
    Stella ertappte sich, wie sie eifrig nickte, und erst dann fragte sie sich, wen der

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