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Hexenseelen - Roman

Hexenseelen - Roman

Titel: Hexenseelen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Krouk
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begann. Kein stumpfes Verständnis für ein Problem, sondern eine vorsichtige Anteilnahme. Auch wenn er nicht wusste, ob er das zulassen durfte, ob dieses Mitgefühl ihn womöglich schwächte. Wie sollte er die Jahrhunderte überdauern, wenn er solchen Nichtigkeiten erlaubte, ihn mitzureißen.
    Erneut bemühte er sich, streng rational zu denken. »Nun, als Oberhaupt des Clans kann ich Sie nur daran erinnern, dass wir ohne die Hilfe einer Hexe, die uns wohlgesinnt ist, untergehen werden. Wir haben nichts, womit wir in der Lage wären, Oyas Pläne zu durchkreuzen. Als Vater würde ich sagen: Lassen Sie die Finger von ihr, Sie sind meiner Tochter nicht gewachsen.«
    »Und … als Freund? Ich meine: Sie ist eine Hexe. Kann man eine Hexe überhaupt lieben?«
    Conrad fragte sich, wie es möglich war, dass sein eigenes Inneres sich in so kurzer Zeit so schnell veränderte. Was passierte mit ihm? Der Conrad, der ihm vor wenigen Tagen noch vertraut war, existierte nicht mehr. Dieser Conrad würde niemals irgendeine Art von Freundschaft zulassen. Nicht so wie jetzt.
    »Adrián«, begann er unsicher und erstaunt darüber, wie leicht es ihm fiel, das Neue anzunehmen, »als du vor ein paar Monaten in den Pesthof gegangen bist, als du Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hast, um sie zu finden, da hast du sie geliebt. Als du sie durch die
Kanalisation getragen hast, selbst einem Zusammenbruch nahe, da hast du sie auch geliebt …«
    »Sicher, da kann ich dir kaum widersprechen. Nur wusste ich damals nicht, dass sie eine Hexe war.« Der Nachzehrer nahm das Freundschaftsangebot so selbstverständlich hin, als hätten sie sich schon eine Ewigkeit lang geduzt. Auch Conrad stellte verwundert fest, dass dieser Schritt sich ganz gewöhnlich anfühlte. Dass er sogar froh war, die Welt um ihn herum nicht auf Distanz halten zu müssen.
    Irgendetwas geschah mit ihm, irgendetwas Gutes.
    »Aber sie war eine, du hast nie eine andere Evelyn gekannt.«
    Adrián senkte den Kopf und fuhr sich mit beiden Händen durch das Haar. »Das hat sie mir auch gesagt, als wir uns zum letzten Mal sahen. Als ich sie von mir gestoßen habe. Aber liebt sie mich auch? Ist sie dazu überhaupt imstande? Oder ist das nur ein Spiel, das eine Mächtige mit einem Trottel wie mir treibt, um mich noch weiter ins Verderben zu reißen?«
    »Bei jeder anderen Mächtigen hätte ich gesagt, sie ist nicht dazu fähig, etwas zu empfinden. Doch Evelyn ist eben eine etwas andere Hexe. Frag sie doch. Gib ihr eine Chance. Du wirst merken, ob das, was euch verbindet, nur eine Lüge ist. Oder vielleicht doch Liebe. Auch wenn selbst wahre Liebe gewiss noch eine Zeit brauchen wird, um das, was euch trennt, zu überwinden.«
    Eine kleine Ewigkeit lang sagte keiner von ihnen mehr etwas, denn Worte hatten keine Bedeutung mehr, nur das
Schweigen. Schließlich stand Adrián auf und ging. Erst an der Tür drehte er sich um. »Ich danke dir.«
    Conrad nickte ihm zu. Ob es wirklich eine Freundschaft war? Oder etwas, was er sich bloß einbildete? Nun … als er sich mit ihm Schulter an Schulter durch den Pesthof gekämpft hatte, da war es eine. Und als er die ganze Kanalisation nach dem Mann abgesucht hatte, da war es ebenfalls eine. Alles andere würde die Zeit zeigen.
    Er wusste nicht, wie lange er noch so dasaß. Vermutlich Stunden. Denn wenn man so lange existierte wie er, stumpfte das Zeitempfinden ab. Erst ein Poltern irgendwo über ihm, gefolgt von einem spitzen Schrei, riss ihn aus seinen Gedanken. Es kam aus seiner Wohnung. Sogleich war Conrad auf den Beinen und lief ins Treppenhaus, noch bevor er groß nachdenken konnte. Als er vor seiner Tür stand, hörte er splitterndes Glas und berstendes Holz. Er vertrödelte keine Zeit damit, den Schlüssel herauszukramen, sondern trat die Tür aus den Angeln. Sekunden später stürmte er ins Wohnzimmer.
    Er erfasste mit einem Blick den Raum. Das demolierte Fenster, das zweigeteilte Sofa in der Ecke, die umgekippten Schränke und zerbrochenen Regale. Kein Roland. Und vor allem - keine Ylva. Die Erkenntnis schien ihm die Kehle zuzudrücken, bis er keine Luft mehr bekam, bis er nichts mehr hörte als das Schlagen des eigenen Herzens.
    Dann polterte es wieder - eine Hälfte des Sofas wurde zur Seite geschleudert, und Roland kroch unter den Trümmern hervor. Sein Gesicht war verzerrt, er blutete
aus Schürfwunden, doch er schien noch ganz zu sein. »Sie ist nicht sie selbst«, keuchte er und musste sich abstützen. »Ich war auf einiges vorbereitet,

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