Hexenspiel. Psychokrimi: Ein Psychokrimi (German Edition)
Bohren aufhörte, begann jemand mit einem Hammer auf Fliesen einzuschlagen, ein unablässiges, gellendes Hämmern, das die Wände von Wagners Wohnung in ein leichtes Beben versetzte.
Wagner wusste nicht, was er machen sollte. Er lag wie erstarrt in seinem Bett und verfluchte seinen Wohnblock. Ständig musste in irgendeiner Wohnung ein Rohrbruch repariert werden, dauernd wurde irgendwo geschliffen, gebohrt, gesägt und gehämmert. Und er konnte dagegen nichts unternehmen, denn es war natürlich das gute Recht der Leute. Normalerweise war er ja auch um diese Uhrzeit im Dienst und bekam von dem ganzen Lärm so gut wie nichts mit. Wenn es nach ihm ging, konnten die Leutetagsüber Krach machen, soviel sie wollten. Aber heute, ausgerechnet heute? Verflucht noch einmal!
Plötzlich hörte das Hämmern auf. Gott sei Dank. Wagner atmete auf und entspannte sich wieder. Eine Minute später läutete es an seiner Wohnungstür. Draußen stand ein junger Mann in blauem Overall und teilte Wagner mit, dass für die nächsten zwei Stunden im ganzen Haus das Wasser abgedreht würde, weil man in der Wohnung im fünften Stockwerk ein neues Leitungsrohr verlegen müsse.
„Alles klar. Aber das Hämmern ist jetzt vorbei?“
„Ja. Bis auf weiteres.“
„Na gut. Danke.“
Wagner legte sich wieder ins Bett. Zwei Stunden Ruhe. Zwei Stunden Schlaf. Mehr wollte er nicht. Alles andere war ihm egal. Kaum begann er wegzudämmern, schrillte schon wieder die Türklingel. Jetzt war Wagner wirklich sauer. Er stieg aus dem Bett, zog seinen Morgenmantel über und ging zur Tür.
„Was ist denn jetzt schon wieder?! Verdammte Scheiße!“
„Entschuldige. Ich bin’s. Christina.“
Wagner öffnete verblüfft die Tür.
„Chris? Was machst denn du hier?“
„Hallo, Klaus. Darf ich reinkommen?“
„Klar. Ist was passiert?“
Christina sah übernächtigt aus. Blass und mit Ringen unter den Augen. Obwohl sie einen dicken Rollkragenpullover trug, schien sie zu frösteln, und ihr regennasses Haar klebte in Strähnen an ihrem Kopf. Sie ging zielstrebig ins Wohnzimmer, stellte ihre Handtasche auf den Tisch, streifte die Schuhe von den Füßen, kauerte sich mit hochgezogenen Beinen aufs Sofa und umschlang ihre Knie. Wie selbstverständlich. So, als wäre sie immer noch hier zuhause. Wagner beobachtete sie – irritiert und gleichzeitig besorgt. Dann ging er ins Bad und kam mit einem Handtuch zurück.
„Da. Für deine Haare. Bevor du dir eine Erkältung holst.“
„Danke.“ Christina begann ihr Haar trocken zu rubbeln. „Hast du vielleicht auch einen Kaffee für mich?“
„Klar. Ich kann auch einen brauchen. Nur … Shit …“ Wagner hielt inne und machte ein ratloses Gesicht.
„Was?“
„Ich kann keinen machen. Die haben im ganzen Haus das Wasser abgedreht.“
„Na, super.“ Christina überlegte. „Hast du Mineralwasser im Kühlschrank?“
„Natürlich. Wieso?“
„Wieso? Du kannst vielleicht Fragen stellen.“ Christina lachte auf. „Nimm halt Mineralwasser für den Kaffee. Wasser ist Wasser.“
„Tja. Klingt logisch.“
„Noch immer der gleiche Blödmann wie früher, was? Noch immer völlig hilflos, wenn etwas nicht so läuft, wie du’s gewöhnt bist.“
Wagner ging wortlos in die Küche, löffelte Kaffee in den Filter seiner Kaffeemaschine, goss Mineralwasser in den Behälter, stellte zwei große Tassen bereit und drückte auf den Startknopf. Dann starrte er das Gerät an und wartete. Er fühlte sich unbehaglich. Was sollte das Ganze? Was wollte Christina von ihm?
„Bist du nur deshalb gekommen?“ Wagners Stimme klang wie früher, wenn er laut geworden war, um in einem Streit mit Christina die Oberhand zu bekommen.
„Was meinst du mit: nur deshalb?“ rief Christina aus dem Wohnzimmer zurück.
„Um mich zu beschimpfen. Um mir zu sagen, dass ich ein Trottel bin.“
„Hab ich nicht gesagt.“
„Nein, hast du nicht. Aber gemeint. Ist jedenfalls so bei mir angekommen.“
„Dein Problem. Sorry.“
Die übliche weibliche Taktik, dachte Wagner. Jetzt war also wieder er schuld.
„Sorry, Klaus. Ehrlich. Ich hab’s nicht so gemeint. Tut mir Leid.“ Christinas Stimme war auf einmal ganz nah. Wagner drehte sich überrascht um. Christina stand mit zerzausten Haaren vor ihm und lächelte verlegen. Sie hatte ihren Pullover ausgezogen, und in ihrem weißen T-Shirt und ihren ausgebleichten Jeans wirkte sie unglaublich zerbrechlich. Wagner hätte sie am liebsten in seine Arme genommen, aber dann ließ er es doch
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