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Hexenstein

Hexenstein

Titel: Hexenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Maria Soedher
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Kimmel ebenfalls das Ding an. Das, was nun kommen würde, schreckte sie nicht mehr, denn sie hatte es bereits durchlebt.
    Für Kimmels Statur waren noch keine Overalls entwickelt worden. Er öffnete Fenster und Türen und wartete dann draußen.
    Zunächst suchten sie einen Zugang zu dem Verschlag, der sich hinter der Holzwand verbergen musste. Eine Türe war nicht zu entdecken. Im Licht der Taschenlampen, die auch den dunkelsten Winkel hell machten, fanden sie schließlich hinter der Bodenluke zum Keller einen kleinen Spalt. Lydia war die Leichteste und kroch auf Knien über die Bodenluke, die ein wenig wippte. Schon der erste Schlag gegen das Holz förderte ein hohles Dröhnen hervor. Schielin musste gegen den heftigen Speichelfluss ankämpfen, der ihn überkam. Dann zog er die Netzhaube über den Kopf. Lydia hatte die Videokamera und ein Schmetterlingsnetz dabei. Sie würden einige der Fliegen benötigen. Die Maden waren einfacher zu jagen. Wenzel übernahm nun und rückte mit einem Schraubenzieher an, den er aber gar nicht brauchte. Er drückte am Boden gegen die Holzwand, die ein Stück zurückfuhr, dann setzte er an einer abgegriffenen Stelle an und drückte die ganze Wand nach oben. Es ging leicht, denn sie hing an einem Gegengewicht und wurde fast von alleine nach oben gezogen.
    Das Surren, das sie erfasste, war gräulich und nur schwer zu ertragen. Lydia hielt die Augen geschlossen und ließ die Videokamera laufen. Die grellen Scheinwerferkegel trafen auf ein Paket, das in große blaue Müllsäcke eingewickelt war. Alles bewegte sich. Wenzel wunderte sich, dass es nicht stärker roch, doch der Plastiksack hielt einiges zurück. Wären sie ein paar Tage später gekommen, hätte man es schon im Wohnzimmer gemerkt.
    Als sie kurze Zeit später alles erledigt hatten, kroch Schielin aus dem Ganzkörperkondom. Seine Kleidung klebte an der Haut. Er ging auf Ewald Kubow zu und sagte: »Und du, mein Freund, wirst mir jetzt erzählen, was in der Nacht wirklich zu sehen war.«
    Kubow sah ihn schweigend an, ohne zunächst auf Schielins Worte zu reagieren. Der wartete und schließlich begann Kubow zu erzählen: »Wie gesagt, es war ganz eindeutig der Schein einer Taschenlampe.«
    »Das wissen wir ja schon.«
    »Die Sabine war ausgestiegen und hochgelaufen zur Tür. Ich habe noch am Funk Bescheid gegeben, wo wir sind. Und da war dann plötzlich wieder dieser Lampenschein, direkt am Fenster, und diese …«
    Schielin wartete, drängte nicht.
    »… diese Fratze. Ganz kurz nur. Es war so eine Gestalt ganz in Schwarz. Ich habe das nur schemenhaft gesehen, es ging so schnell, aber es war da! Eine schlanke Gestalt und diese kurze Bewegung da im Fenster, die sah sehr geschmeidig und kraftvoll aus.«
    Ohne jegliche Ironie in der Stimme fragte Schielin: »Ein Mann, ein Geist, eine Frau …?«
    »Es war etwas Dämonisches, würde ich sagen. Ich bin jedenfalls total erschrocken, so wie selten.«
    »Wie sah diese Fratze aus?«
    »Es war kein richtiges Gesicht, Conrad. Ich habe es auch nur kurz gesehen, so kurz wie in einem Blitzlicht, verstehst du.«
    »Mhm, ich glaube schon.«
    »Es sah so ähnlich aus wie eine Hexenlarve, aber nicht so … kantig und grob, sondern irgendwie weicher.«
    »Hexenlarve«, wiederholte Schielin nachdenklich und ging zurück ins Haus. Unten am Weg hatten sich inzwischen einige Neugierige versammelt. Das Ehepaar Haubacher erkannte er. Eine kurze Kopfbewegung zeigte Kubow an, dass er die Personalien der Leute da unten feststellen sollte.

    Jenseits des Gartens, hinter den Staudenbeeten am Zaun, gewahrte Schielin Frau Kinkelin. Sie stand wie eine Säule, bewegungslos, eine Hand auf dem Holz, aber nicht um dadurch Halt zu gewinnen, eher diente es ihr dazu, den Kontakt mit der Welt zu halten, wie Schielin ihrem erschrockenen Gesicht meinte entnehmen zu können. Er ging hinüber zu ihr.
    »Wir wissen noch nichts Genaues, Frau Kinkelin, und ich kann ihnen auch noch nichts sagen. Aber es werden schlechte Nachrichten sein.«
    Sie nickte ernst, ohne ihn anzusehen. Ihre Hand ließ vom Zaun los und langte wie von einem Fremden gesteuert an Schielins Unterarm. Ganz leicht nur. Sie sagte leise und mit drohender Stimme: »Des war der Deifel, des war der Deifel.«
    »Was?«, fragte Schielin, dem es bei ihren Worten kalt über den Rücken rieselte. Er folgte ihrem Blick, der nicht auf die Beete gerichtet war, sondern auf die Gruppe der Neugierigen unten auf der Straße. Kubow war gerade mit ihnen beschäftigt. Er wunderte

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