Hexenstein
Holzbaufirma, da war auch ein Lager und draußen, hinter dem Kamelbuckel noch eines.«
»Und des weißt du noch?«
»Schmarrn. Von meinem Vater hab ich des! Jedenfalls war da ein Haufen Gefangene und da waren manche dabei, die halt irgendwie geschaut ham da abzuhauen. Jedenfalls haben es zwei, drei fertiggebracht eine Eisenplatte von einem stillgelegten Kanal aufzuhebeln. In der Nacht war des. Der Gang, der hat von der alten Sängerhalle unter der Ludwigsbastion durch vor zur Seebrücke geführt. Da sind die dann rausgekommen und da waren schon Boote bereitgelegt von Helfern. Mit denen sind die dann über den Kleinen See abgehauen. War ja bei Todesstrafe verboten auf dem See zu sein, damals.«
Wenzel schüttelte ungläubig den Kopf.
»Des stimmt schon. War eine verrückte Zeit damals. Wenn du mal auf der Insel bist, geh zum Yachthafen und frag den Hafenmeister. Des war damals ein kleiner Bub, der weiß des noch genau. Und noch viel mehr weiß der.«
Wenzel murmelte etwas und die Runde löste sich langsam auf. Lydia hatte es eilig und sagte etwas von Bank. Jasmin Gangbacher saß schon wieder in ihrem Büro. Nur Funk und Schielin blieben schweigend sitzen. Funk war es, der nach einer Weile begann. »Wieso ist er wohl in der Nacht noch mal zurück ins Haus gekommen. Auch noch in so einer komischen Verkleidung – mit Larve?«
»Es könnte ja auch eine sie gewesen sein«, entgegnete Schielin.
Funks Stimme wurde dunkler. »Das kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen – eine Frau? Nein, eher nicht. Ich meine, es muss doch einen Grund geben, sich in solcher Gefahr auszusetzen – zum Tatort zurückzukommen. Das macht man doch nur, wenn es unerlässlich ist. Ob es wohl wegen diesem Mäppchen war? Was denkst du?«
Schielin zuckte mit der Schulter. »Da es verschwunden ist, wird es wichtig gewesen sein. Ich weiß es nicht, Robert. Aber in diesem Zurückkommen liegen meine Zweifel, dass die Ehefrau mit der Sache was zu schaffen hat. Mit einer Larve. So ein Ding zieht sich ja niemand einfach so auf. Zum Tarnen würde ja eine schwarze Sturmhaube völlig genügen. Nein, da haben wir es mit was ganz Komischem zu tun. Lydia hat sich übrigens kundig gemacht, was dieses Symbol angeht, das auf dem Mäppchen war. So, wie du es uns beschrieben hast, handelt es sich mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit um eine Triskele – ein dreiarmiges Symbol, das es in vielen Varianten gibt. Ist eine uralte Form und findet sich im gesamten europäischen Raum. Ist heute überwiegend als keltisches Symbol bekannt, weil es Symbol der Isle of Man und der Bretagne ist. Sizilien hat es aber auch im Wappen und einige deutsche Städte. Zum Beispiel Füssen, droben im Allgäu.«
»Mhm. Klingt interessant.«
»Du kennst ja Lydia, wenn Sie mal angefangen hat zu ermitteln … , dann gibt’s kein Halten mehr. Sie hat unter anderem herausgefunden, dass die Triskele als Erkennungszeichen in sadomasochistischen Kreisen gilt. Da steht es für die Rollenverteilung: top, bottom, switch.«
Funk nahm den Kopf zurück und wiederholte, »top, bottom, switch … Sadomaso. Ich glaube, ich will gar nicht wissen, was das genau bedeutet.«
»Es gibt auch viele Schmuckstücke mit dieser Symbolik«, fuhr Schielin fort, »steht für die magische Zahl drei, also: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft oder Geburt, Leben, Tod – Körper, Geist und Seele wäre auch noch so eine Variante.«
»Wir könnten uns ja mal bei den Schönauer Hexen umhören, die sollten sich doch damit auskennen«, meinte Funk halb lustig, halb ernst.
Schielin stöhnte: »Du meinst in Sachen Sadomaso?«
Funk hob die Schultern und sah unschuldig in den Raum.
Schielin winkte ab. »Genau das will ich erst einmal vermeiden. Dass da ein Bezug zwischen dem Mord und etwas Esoterischem oder Okkultem hergestellt wird, und noch schlimmer wäre es, wenn uns die Sache wirklich in Richtung SM führt. Da haben wir gleich die Presse am Hals. Sex-Mord in Lindau, oder Blutiger Teufelskult am Bodensee. Ich sehe die Schlagzeilen schon vor mir. Ball flachhalten.«
»Aber beide Varianten wären möglich.«
Schielin stand auf und sah Funk ernst an. »Das wollen wir mal nicht hoffen. Es gäbe auch noch eine Mischung aus beidem.«
Sie erschraken beide, als unerwartet von der Türe her Erich Gommert blökte. »Sadomaso? Des sind doch die mit der Peitsche, oder. So was gibt’s doch hier in Lindau net, oder? Nee. Oder etwa wirklich? Wirklich!?«
Die beiden ließen Gommi im Ungewissen und gingen schweigend in ihre
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