Hexenstein
bargeldfrei.
Lydia Naber summte eine alte Melodie und wiederholte dann leise »fünfzehntausend Euro«. Nachdenklich ließ sie sich in den Bürostuhl sinken.
Sie wussten nun also, dass Gundolf Kohn am Montagmorgen noch am Leben gewesen war und dass fünfzehntausend Euro verschwunden waren. Schielin verließ noch einmal die Dienststelle, um sich mit einem Postler zu treffen. Lydia Naber ging die Spurenberichte erneut durch.
»Was war das für eine Melodie gerade?«, wollte Schielin wissen.
»Level 42. Leaving me now. Wunderschöner Schleicher. Da heißt es: some people kill for less.«
*
Als Wenzel am Nachmittag eingetroffen war, ordnete er wie abwesend seine Unterlagen und schrieb einen vorläufigen Bericht für Schielin, über die Ergebnisse der Obduktion. Als bald darauf Schielin und Lydia Naber zurück waren, versammelte sich die Runde im Besprechungszimmer. Einige Gläser Wasser standen auf dem Tisch. Nur Gommi hatte sich zur Überraschung aller einen Kaffee gemacht. Den Duft genossen alle, nur traute sich sonst keiner an die schwarze Brühe. Kimmel wischte schon so ständig den Schweiß von der Stirn.
Wenzel berichtete von der Obduktion und vom rekonstruierten Tathergang.
»Gibt es schon Genaueres zum Todeszeitpunkt?«, fragte Schielin.
»Ja, aber nur einen Zeitkorridor. Die Ergebnisse von den Biologen aus dem LKA haben wir telefonisch eingeholt. Anhand des Entwicklungsstadiums der Tierchen und der Temperaturkurven, die wir gefertigt haben, dürfte der Todeszeitpunkt zwischen Montag fünfzehn Uhr und Montag zwanzig Uhr liegen.«
Schielin schürzte die Lippen. »Ist ja supergenau. Aber immerhin, es passt zu unseren anderen Erkenntnissen. Ich war inzwischen bei den Postlern und habe den Zusteller befragt. Er ist immer so gegen Mittag draußen. Für die FAZ gibt es keinen eigenen Zustellerdienst am Morgen, deshalb kommt sie mit der Post. Am Vormittag war Kohn auf der Bank …«
»Bank?«, fragte Robert Funk sofort.
»Gundolf Kohn hat am Montagmorgen, gleich in der Früh, fünfzehntausend Euro abgehoben, in großen Scheinen. Für die Zeit zwischen etwa zehn Uhr und fünfzehn Uhr haben wir noch keine Aussagen oder Erkenntnisse, aber der Postler hat noch was Interessantes beobachtet …«
»Das mit der Zeitung«, warf Jasmin Gangbacher ein, die bisher geschwiegen hatte, »kann er nicht die Zeitung reingeholt haben? Die lag doch auf dem Tisch im Wohnraum, oder?«
Schielin wog den Kopf. »Könnte auch seine Frau gewesen sein.«
»Ach ja, die Frau«, sagte Jasmin Gangbacher, »die habe ich schon fast vergessen. Es ist, als würde es sie gar nicht geben.«
Schielin lachte bitter. »Genauso ist es. Ich kann mir überhaupt keinen Reim darauf machen, wo sie sein sollte. Ihre Papiere sind alle noch im Haus: Scheckkarte, EC-Karte, Ausweis.«
»Braucht die doch nicht. Die ham gestritten, sie hat ihm des Messer reingehaun, dann, im Schock natürlich, hat sie die fünfzehntausend Euro gschnappt und ist auf und davon«, warf Gommi ein.
Lydia ließ ein gequältes »Ah, bitte, Gommi!« hören.
»No, vielleicht net? Des könnte doch gut sein, oder vielleicht net?«
»Die gute Frau Kohn hatte es doch gar nicht nötig wegen der paar Kröten ihren Mann umzubringen. Die beiden waren gut situiert … , nach eskaliertem Ehestreit sieht das da draußen überhaupt nicht aus.«
»Na gut. Aber wonach sieht es denn dann aus?«, wollte Gommi wissen und ersparte es Kimmel diese Frage zu stellen.
Lydia hatte kurz innegehalten und etwas notiert: Zugriff auf Konten.
»Tödlicher Streit unter Eheleuten, bitte. Wenn wir das vorliegen hätten, dann wäre sie entweder im Haus geblieben und hätte selbst irgendwann die Polizei gerufen, oder sie wäre geflüchtet, also mit ihren Ausweisen, und Gepäck und so. In beiden Fällen aber wäre die Leiche nicht derart versteckt und der Tatort so gesäubert worden. Das passt so nicht zusammen.«
»Was hat der Postler denn noch Interessantes erzählt?«, fragte Kimmel in Richtung Schielin, der gleicher Meinung wie Lydia Naber war.
»Tja. Am Montag war der so kurz vor halb eins draußen am Haus. Daran hat er sich noch gut erinnert. Er musste das Fahrrad in der Einfahrt stehen lassen, weil ein schwarzer Van vor dem Haus stand.«
»Ein schwarzer Van«, wiederholte Lydia.
»Ja. Einer mit schweizerischem Kennzeichen. Sankt Gallen. Soweit konnte der Postler sich noch erinnern, und dass die Scheiben verspiegelt waren. Mehr allerdings nicht, aber das ist schon eine sehr interessante Spur. Taxis
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