Hexenstein
erklärte Kimmel und schob die Akte über den Tisch hinweg Erich Gommert zu, »im Grunde nur Sachschaden, eine dumme Sache eben, die aufgenommen werden muss, damit die da draußen ein Aktenzeichen haben und so. Routine halt. Versicherungskram.«
Erich Gommert sah ernst auf den grünen Aktendeckel. Von wegen Routine, nichts war Routine, nichts. Es gab keine Routine, wenn es um Verbrechen ging.
Jasmin Gangbacher fragte etwas schüchtern, was denn die zweite Sache sei und erhielt somit gleich den Auftrag dafür, denn Kimmel hätte es beinahe vergessen. Der Mesner des Münsters hatte angerufen und etwas von Sachbeschädigung erzählt. Fast zeitgleich war die Meldung über Schmierereien in der Stephanskirche eingegangen und an der Rickenbacher Kapelle waren Aufbruchspuren entdeckt worden. Kimmel betrachtete die Angelegenheit, da es sich allesamt um Kirchen handelte, als eine.
»Es ist aber auch der Teufel los, zurzeit«, meinte Wenzel und schüttelte den Kopf.
»Ja, wenn du da mal nicht recht hast«, sagte Erich Gommert ernst.
Wortlos ging die Runde auseinander. Ein jeder wusste, was er zu tun hatte.
Erich Gommert setzte sich im Geschäftszimmer an den Schreibtisch und überlegte, wie er die Sache angehen wollte. Jasmin Gangbacher bot an, ihm zu helfen und meinte, die Rickenbacher Kapelle läge ja quasi auf dem Weg zum Tierheim, so von der Richtung her. Kurz darauf stand Wenzel in der Tür und sagte, dass er schon Zeit hätte mit rauszufahren, Lydia Naber kam gar nicht in Gommis Büro, weil auch Robert Funk meinte, dass er eigentlich mit seiner Ermittlung gut vorangekommen sei, und der Bericht … mein Gott, den konnte man auch noch am Montag schreiben.
Ihnen allen war Gommis Verhalten völlig fremd und bereitete ihnen daher ein wenig Sorge. Kein Jammern, kein Greinen, keine Beschimpfungen des unablässig an Umfang gewinnenden Wasserkopfs des Kemptener Präsidiums, kein Hinweis auf den Niedergang der Politik – nichts dergleichen. Er lehnte alle Hilfsangebote dankend ab – und holte in großer Ruhe seine Dienstwaffe aus dem Stahlschrank. Im Tierheim Lindau war eingebrochen worden.
*
Die Haubachers hätten schon lange da sein müssen. Stattdessen erschien das Ehepaar Stalzer überpünktlich. Arthus wurde von ihm besonders eng an der Leine geführt. Er ging wirklich brav an der Leine und selbst jetzt noch, bekam er Stöße mit dem Knie verpasst.
Erich Gommert kam gerade aus Wenzels Büro, von wo er den Ermittlungskoffer geholt hatte und begegnete ihnen im Gang. Als er sah, wie Stalzer dem Hund in die Seite stieß, blieb er stehen und ließ ein eindringliches »No, aber!?« hören. Dann ging er weiter. Die Schlüssel des BMW hatte er sich schon gesichert. Musste eben jemand anders mit dem durchgekutschten Passat fahren.
Lydia Naber stand am Fenster und sah ihm nach. Fast hätte sie gewunken.
*
Lydia Naber brachte die Stalzers in den Vernehmungsraum. Arthus lag unter dem Tisch. Schielin war noch mit Telefonieren beschäftigt. Er hatte gerade jemanden aus Warendorf am Hörer und wollte einfach dazu kommen, falls die Haubachers nicht auftauchen sollten. Robert Funk und Jasmin Gangbacher waren auch noch da. Wenzel war im Keller mit der Auswertung von Spuren befasst.
Stalzer ließ seinen Zorn an einem der alten Holzstühle aus, den er an der Lehne packte und einige Male unwirsch über den Boden schob, bevor er sich niederließ. Seine Frau wollte sich an die schmale Tischecke setzen, doch Lydia forderte sie auf, neben ihrem Mann zu sitzen. Dadurch war besser zu beobachten, bei welcher Frage einer der beiden Blickkontakt aufnehmen wollte. Stalzer blickte muffig ins Leere.
Lydia entschied sich für einen behutsamen Anfang. »Sie hatten Streit mit dem Ehepaar Kohn«, stellte sie, ohne eine Wertung mitklingen zu lassen, fest und beschäftigte sich mit ihrem Notizblock, um dann unschuldig aufzusehen. Die beiden waren verblüfft, auf diese Weise in das Gespräch zu gelangen und wussten nichts zu antworten. Es war nichts falsch an der Feststellung der Polizistin.
*
Nur wenige Meter entfernt saß Schielin im Büro und horchte gespannt in den Telefonhörer. Er hoffte, dass jemand abnahm, dort oben in Rheda-Wiedenbrück. Fast wollte er schon auflegen, als mit einem Male eine sonore Männerstimme zu hören war. Schielin stellte sich vor, erklärte, dass er die Telefonnummer vom Kinderheim erhalten habe und fragte, ob er mit Herrn Wilhelm Kurz spreche, dem ehemaligen Leiter des Kinderheims.
Der Mann am Telefon bejahte und
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