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Hexenstein

Hexenstein

Titel: Hexenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Maria Soedher
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wanderte sogleich zu Lydia Nabers Postfach.
    *
    Kimmel kam als Letzter in den Besprechungsraum. Seine Miene verhieß nichts Gutes. Auf seiner Stirn haftete bereits ein glänzender Schweißfilm. In kurzen Sätzen ließ er sich über den aktuellen Sachstand unterrichten und jeder, der etwas zu sagen hatte, eilte sich, denn es war Kimmel anzumerken, dass er etwas loswerden wollte. Einzig Schielin berichtete etwas ausführlicher von den Akten des Kinderheims. Darin war auch der Name des ehemaligen Heimleiters aufgeführt, mit dem er Kontakt aufnehmen wollte, falls er noch lebte.
    Jetzt war Kimmel an der Reihe. Er schob ein Blatt Papier auf der Tischplatte hin und her. Darunter lag die Zeitung. Es war ausweichend, als er sie aufschlug und meinte: »Heute ist übrigens das Bild von der Frau Kohn in der Presse, habt ihr schon gesehen?«
    Stummes Nicken. Natürlich hatten alle schon einen Blick in die Zeitung geworfen, was genauso zum Job gehörte, wie das Lesen der Einsatzberichte. Alle kannten ihren Kimmel und warteten auf die eigentliche Botschaft, die noch ausstand und ihm scheinbar zu schaffen machte. Er räusperte sich. »Es hat des Bildes wegen noch niemand angerufen, was mich wundert, aber wird schon noch kommen.« Wieder ein Räuspern. »Außerdem müssen wir noch zwei andere Sachen übernehmen. Einmal einen Einbruch, draußen im Tierheim. Wir können das nicht drüben bei den Kollegen von der Streife lassen, die sind schon genug eingespannt. Jetzt am Wochenende haben die das Hoiberfest und die Stadt ist voller Gäste. Dann noch die Grillfeste … bei dem Wetter … nach zwei, drei Schnaps wird’s bei manchem rundgehen … , und diese blöden Feuer in der Nacht gibt’s ja auch noch. Wir müssen also diesen Einbruch im Tierheim abdecken, kleine Geschichte, nichts Großes.«
    Niemand war sonderlich beeindruckt. Was sollte schon dabei sein. Blieb nur die Frage, wer sich um die Angelegenheit kümmern sollte, denn alle waren mit Ermittlungsarbeiten eingedeckt. Die Haubachers sollten jeden Augenblick kommen, dann dieser Stalzer, und das Ehepaar vom Oberen Schrannenplatz musste auch jemand aufsuchen; man hatte sie telefonisch schon erreicht, und und und.
    Kimmel war alle Möglichkeiten durchgegangen und das Ergebnis seiner Überlegungen bereitete ihm ein wenig Kopfzerbrechen. Schließlich sagte er: »Gommi, du wirst das machen.«
    Erich Gommert hatte den Inhalt dessen, was Kimmel gesagt hatte, in seiner vollen Bedeutung und Konsequenz nicht erfasst. Er sah seinen Chef treu an und nickte, so wie es sich gehörte. Ja, Chef, super, Chef, machen wir, Chef.
    Kimmel sah ihn kurz und eindringlich an, überrascht, ein Gejammer zu hören, und meinte erleichtert: »Dann ist ja alles klar.«
    Nichts war klar. Langsam, ganz langsam drangen die Worte durch Erich Gommerts Hirn, fanden dort Zuordnungen, Synapsen schalteten Schaltungen, prüften, klärten ab, wiederholten die Laute und Töne, die vom Ohr gemeldet worden waren. Es bestand kein Zweifel. Kimmel hatte Erich Gommert gerade einen Fall übergeben. Und Erich Gommert realisierte, dass er Erich Gommert war und einen Fall zu bearbeiten hatte. Einen Kriminalfall! Und das bedeutete Gefahr, direkten Kontakt mit dem Verbrechen, Ärger mit Zeugen, Mahnungen von Staatsanwälten, die in ihren feudalen Büros der Kemptener Residenz hinter Aktenstapeln hockten und ihre Macht genossen. Dann die Kollegen, die nur darauf warteten einen Fehler zu entdecken. Erich Gommert wähnte sich verloren. Ein langes, erschrockenes »Iiiich?« quälte sich hervor.
    Keiner der anderen konnte der Szene Schadenfreude oder anderen Humor abgewinnen. Keiner von ihnen hätte sich vorstellen können, dass Kimmel es jemals fertiggebracht hätte, Gommi einen eigenen Fall zu geben.
    Kimmel war auf deutlich mehr Widerstand vorbereitet gewesen. Mit einem klaren »Ja«, das keinen Verhandlungs-Spielraum ließ, beendete er den Beginn einer Diskussion. Gommi schwieg.
    Ausgerechnet Wenzel war es, der sich in die Bresche schmeißen wollte, doch Kimmels Blick genügte, um es beim Versuch zu belassen. Für einen kurzen Augenblick dachte keiner der um den Tisch Versammelten an den Ermordeten und dessen verschwundene Frau, sondern an die Not, in welcher Gommi nun stecken musste. Sicher, er war Polizist. Aber keiner der Anwesenden konnte sich erinnern, Erich Gommert jemals mit einem eigenen Fall befasst erlebt zu haben.
    Schielin fragte schließlich: »Was ist denn bekannt über diesen Einbruch?«
    »Nichts Dramatisches«,

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