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Hexenstein

Hexenstein

Titel: Hexenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Maria Soedher
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Leute mitnehmen.«
    »Welche Leute?«, entfuhr es Schielin.
    »Gäste«, sagte Lena etwas schüchtern.
    »Ihr meint Touris?«, stellte Schielin fest.
    »Gäste eben«, wiederholte sie; weniger um die Urlauber vor dem hässlichen Wort Touris zu schützen, als ihrem Unterfangen eine reelle Chance zu verschaffen.
    Schielin meinte: »Ob das Ronsard allerdings gefällt, weiß ich wirklich nicht.«
    Es war eine dumme Bemerkung, denn Laura konterte sofort. »Also die Aktion mit der Lebendkrippe an letztem Weihnachten, die hat ihm ganz sicher nicht gefallen, wo er die ganze Zeit neben der alten Kuh hat stehen müssen, die Durchfall hatte. Das war ja voll peinlich. Unser schöner Esel mitten in diesem Chaos, diese Jesuskindleinpuppe, die über dem Grill …«
    Schielin winkte ab. Er wollte an die moderne Adaption des alten Stoffes nicht mehr erinnert werden. Es war keine gute Idee von Albin Derdes und seinen kulturbegeisterten Reutinern gewesen, den Theaterintendanten aus dem Schwäbischen hinzugezogen zu haben. Allerdings konnte auch niemand wissen, dass man dem armen Menschen nur Urlaub gewährt hatte. Wenigstens wussten die Ärzte nach den Zeitungsberichten von der Lindauer Lebendkrippe, wo sie ihn aufgreifen konnten.
    »Und woher wissen die Gäste von den Wanderungen? Entlang romantischen Wegen am Bodenseeufer – mit Esel?«
    »Mit Packesel«, stellte Lena richtig und ließ die Katze so langsam aus dem Sack.
    »Packesel«, wiederholte Schielin.
    »Nichts Schweres, nur so ein wenig Proviant halt und Wasser und Decken, ein bisschen Geschirr für ein Picknick und Verbandszeug.«
    »Verbandszeug?« Schielin ließ sich in den Stuhl sinken und dachte nach. Seine beiden Gören saßen ihm gegenüber auf der Eckbank und fixierten ihn. Nach einer Weile fragte er: »Wie viel?«
    Laura konnte sich ein kleines, siegessicheres Lächeln nicht verkneifen. »Maximal so fünf, sechs Leute pro Tour. Können auch mal ein paar mehr sein.«
    Schielin kniff die Augen zusammen. »Neiiin. Nein. Ich meinte, wie viel Kohle ihr pro Tour und Kopf verlangt?«
    Das Lächeln gegenüber war schlagartig wieder verschwunden.
    Lena wiegelte ab. »Ja, umsonst können wir es ja nicht machen. Die Organisation, die Werbung, die Zeit, die wir investieren, und es ist ja ein völlig neuer Event für die Urlaubsregion Lindau-Bodensee.«
    Schielin wollte gar nicht wissen, wo schon überall Werbung lief. »Wie viel?«, wiederholte er.
    Sie wich aus, und das gar nicht mal schlecht, mit ein paar mehr Details. »Die Vermittlung über ProLindau Marketing kostet schließlich auch was. Dann noch die Plakate und Inserate … wir tragen die ganze Verantwortung, und und und.«
    Schielin zeigte sich von dem erschreckend gut durchdachten Vorhaben äußerlich unbeeindruckt. Die beiden hatten alles schon organisiert, geplant. Sie hatten ein Konzept. Er blieb stur. »Wie viel?«
    Die Antwort kam nun prompt. »Fünfzehn Euro Erwachsene, acht die Kids, zehn, wenn sie mal auf dem Esel hocken wollen.«
    Er ließ Zeit verstreichen, ließ die beiden ein wenig leiden, dehnte das »mhm« genüsslich, bevor er ein kühles »fünfzig« sprach.
    Die beiden sahen sich fragend an. »Fünfzig Euro!? Das zahlt doch niemand. Das ist aussichtslos. Das zerstört ja die ganze Geschäftsidee.«
    Er grinste böse. »Ich meinte fünfzig Prozent. Ohne meinen Esel kein Geschäft – nur Idee. Halbe-halbe also. Ihr mietet meinen treuen, ergebenen Esel, an dem mein ganzes Herz hängt, für eure Gästetrips und ich möchte davon fünfzig Prozent. Finde ich in Ordnung. Ist ja mein Esel, in den ich viel Zeit und auch den ein oder anderen Euro investiert habe.«
    Die beiden sahen sich kurz an. Kein Lächeln, kein bockiges Getue, auch kein Gejammer oder Gedöns. Sie kommunizierten stumm, nur mittels ihrer Blicke. Dann wandte Laura sich ihm zu, der immer noch nach hinten in den Stuhl gelehnt dasaß, und sagte selbstsicher. »Fünfzig Prozent ist zu viel. Wir finanzieren die ganze Werbung, organisieren alles und machen die Touren. Dreißig wäre okay. Dreißig.«
    Es tat weh. Nicht, dass sie mit ihm um die Kohle feilschten, das war normal. Es war vielmehr die Erkenntnis, dass er keinen kleinen Mädchen mehr gegenübersaß. Ihm wurde klar, dass die beiden nicht nur selbstbewusst waren, sondern auch noch geschäftstüchtig, und dass sie sich, wenn Gott ihnen Gesundheit schenkte, im Leben würden behaupten können. Doch das konnte ihn nicht darüber hinwegtrösten, dass es das erste Mal war, dass er mit ihnen als

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