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Hexenstein

Hexenstein

Titel: Hexenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Maria Soedher
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war zu gleicher Zeit Jasmin Gangbacher unterwegs. Sie hatte das Auto vor dem ehemaligen Gebäude der Grenzpolizei in der Linggstraße abgestellt, weil sonst nirgendwo anders ein Parkplatz zu ergattern war. Die Ermittlungen hier auf der Insel passten ihr ganz gut in den Kram, denn sie hatte noch Schuhe zum Reparieren dabei, die sie beim Schuhmacher Schlegel, gleich hinter der Stephanskirche, abgeben wollte. Sie mochte den Geruch nach frischem Leder und altem Holz, der einen dort einfing. Sie schloss die Autotür und ließ den Blick herumschweifen. Vom Zellerschen Hinterhof her, leuchteten die Farben der bunten Plastikkuh heute ein wenig verhalten herüber, ganz so, als würde auch sie die Hitze spüren. Die Tische vor dem Theatercafé waren alle besetzt. Davor spielte sich der gelassene Austausch von Fußgängern, Radfahrern und Autos ab.
    Sie ging den kurzen Weg hinüber zum Münster, wo der Mesner vor der Südtüre bereits wartete. Sie blieb kurz stehen und sah vor zum Marktplatz, der voller Menschen war, doch ohne dieses unbeschwerte Schwingen, Surren und Summen, das an anderen frühsommerlichen Samstagen von Einheimischen und Gästen zwischen die Mauern der Insel getragen worden wäre. Unter der seit Tagen drückenden Hitze hatte sich müdes Schweigen ausgebreitet. Wer klug war, ging mit seinen Kräften sorgsam um.
    Der Mesner empfing sie mit einer väterlichen Geste, berührte sie leicht am Ellbogen und leitete sie in den Innenraum der Kirche. Ohne großen Jammer deutete er auf die weiße Säule gleich links des Eingangs. Über einer Gedenktafel waren zwei sich kreuzende, handbreite Striche von dunkelroter, an manchen Stellen fast schwarzer Farbe, über das cremige Weiß geschmiert worden. Das so entstandene X hatte seinen Mittelpunkt auf einem stilisierten Totenkopf, der unter einem Putto angebracht war.
    Sie sah zurück zum Mesner und fragte: »Gibt es noch mehr von diesen Schmierereien?«
    Er wies mit der Hand nach rechts, ohne seinen Blick folgen zu lassen,»… an der Säule gegenüber. Da zeigt das X auf die andere Seite hin, also nach Norden, zur Stephanskirche. Da drüben … da war der Schmierer auch unterwegs.«
    Jasmin Gangbacher machte einige Fotos, bevor sie sagte: »Ich weiß. Habe dort den nächsten Termin.«
    Sie verschwieg ihre Ahnung, dass das X nicht mit roter Farbe angebracht worden war, sondern dass es sich um Blut handelte. Mit einem Schweizer Taschenmesser kratzte sie ein wenig ab und ließ die Krümel in eine Plastiktüte fallen.
    Der Mesner hatte schon eine Leiter bereitgestellt. Fürs Erste würde ein helles Laken die Schmiererei bedecken.

    Nur wenige Meter weiter lag die Stephanskirche in gleicher Ausrichtung. Die beiden Hauptkirchen der Insel waren wie zweieiige Zwillinge. Dem freudigen Barock des Münsters mit seinen warmen, erdigen Farben, in die sich goldenes Funkeln mischte, stellte die Stephanskirche eine auf den ersten Blick so erscheinende, kühle evangelische Untertreibung gegenüber. Jasmin Gangbacher war erst wenige Male hier gewesen. Sie betrat die Kirche von der Stirnseite her. Einige Menschen saßen verstreut in den Kirchenbänken, andere waren andächtig in den seitlichen Säulengängen unterwegs, die Köpfe immer wieder nach oben gerichtet, um den Raum zu erfassen, dessen Gewaltigkeit vom blendenden, kaum abgetönten Weiß, das sich hoch oben wie in einem Nebel verlor, noch verstärkt wurde. Einzig amouröses, lindgrünes Zierwerk hemmte das Emportreiben von Wänden und Säulen, gab den Augen einen Sinn für das Maß und förderte das Wandern der Augen zu den Fixpunkten des Raums: der mittig angeordneten Kanzel und dem Altar mit dem schlichten Kreuz. Jasmin Gangbacher setzte sich in eine der Bänke, deren seitliche Lehnen durchaus etwas protestantisch Zwingendes vermittelten. Ohne es zu wollen, hörte sie sich laut und entspannt ausatmen, fast war es ein Stöhnen. Die Kühle war angenehm und beruhigte die Sinne.
    Gegenüber im Münster war der wallende Unterton des Weihrauchs in alle Poren gedrungen. Hier in Stephan waren es die alten Holzbänke, teilweise mit dicken Lederkissen bestückt, die das Alter riechbar machten – würzig, nach altem Holz und Stoff, mit einer Ahnung von Vergänglichkeit. Die geschwungenen Achsen des Altarkreuzes zogen den Blick auf sich und schnell war Jasmin Gangbacher von einer weiten Ruhe umgeben. Fast hätte sie ihren Gedanken nachhängen können, wenn sich nicht dieses rote X in ihre Augenwinkel geschoben hätte. Man hätte es hier als

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