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Hexenstein

Hexenstein

Titel: Hexenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Maria Soedher
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so wie wir das früher alle gemacht haben. Nur heute sind alle hysterisch, wenn junge Leut was machen.«
    Die Katsch lachte, in Erinnerung dessen, was sie alles gemacht hatte als junge Leut. Der Berliner fing erneut an zu mischen. Der Stumme schwieg.
    »Wie wir alle das gemacht haben …«, krächzte die Katsch, »aber doch nicht immer an anderen Orten und noch dazu an solchen. Das müsst doch auch ihr Gendarmen erkennen, dass das ein Zeichen ist. Da wird doch nichts gefeiert. Die Feuer sind immer nur kurz zu sehen, kaum dass es leuchtet, ist’s auch schon wieder aus, und ganz spät in der Nacht. Deswegen findet ihr ja auch nichts.«
    Schielin sah sie ohne Regung an. Er brauchte sie nicht zu fragen, sie redete von ganz allein.
    Sie hob die Hand und machte eine wegwerfende Bewegung. »Ahh. Keine Ahnung, die Bullerei.«
    Schielin wartete.
    Sie zog einige Grimassen und stöhnte, als litt sie Schmerzen, bevor sie sich verschwörerisch umsah und leise weitersprach: »Die Feuer sind ein Zeichen, das steht fest. Sie brennen an magischen Orten und wenn man sie verbindet, die Orte, dann kriegt man ein Kreuz. Genauso eines, wie es auf der Insel in der Stephanskirche steht. So ist das nämlich. Und das hat mir einer gesagt, der sich damit auskennt.«
    Schielin war verblüfft. Er versuchte sich die Orte vorzustellen und in Gedanken dieses Kreuz nachzuzeichnen. Wie auch immer. Er verzichtete darauf, zu fragen, wer denn der Auskenner war. Der Berliner gab für die nächste Runde und meinte mit bösem Grinsen über den Tisch hinweg zur Katsch: »Schon echt eine Plage, diese Hexen überall.« Er kicherte in die Karten, nachdem er es gesagt hatte, die Katsch ließ einen unterdrückt gellenden Laut hören und der Gutmütige lachte dreimal tief und der ganze Teig, aus dem sein Gesicht geformt schien, geriet in Wellenbewegung. Der Stumme gab auch diesmal keinen Ton von sich, glotzte aber, die anderen animierend, mit weit aufgerissenen Augen und Mund in die Runde.
    Die Bedienung brachte der Katsch einen weiteren Cognac, dem Gutmütigen einen Willi und zwei Bier für die andere Tischseite. Der Gutmütige meinte, es sei so heiß draußen, dass Cognac und Willi es einem gerade recht kühl machen würden.
    Schielins Gedanken waren woanders. Es gab also Leute, die der Meinung waren, dass alles, was geschehen war, in einem Zusammenhang stand. Der äußere Conrad Schielin, der Kriminalist und Rationalist, wehrte sich noch gegen diese These, die mit großer Selbstverständlichkeit und keinen Zweifel duldend in die Welt gesetzt worden war. Der innere Schielin aber spürte, dass es in diesem Fall Zusammenhänge gab, die nicht alleine anhand objektiver Spuren nachzuvollziehen waren. Er folgte den nächsten Spielen, lauschte den ritualisierten Sprüchen, und für den aufmerksamen Beobachter wurde deutlich, dass es die Beschimpfungen und Leidensbekenntnisse der Beteiligten waren, die auf verschlüsselte Weise eine gegenseitige Zuneigung ausdrückten. Der Gutmütige erzählte, dass der Josef ab und an mit am Tisch hockte und ein, zwei Bier abstaubte, je nachdem, wie das Spiel so lief. Beim letzten Mal hatte ihn die Hagere davongejagt, als er wieder einmal angefangen hatte zu plappern. Das mochten sie hier nicht, beim Karteln. Aber er würde schon wieder auftauchen. Schielin überlegte, ob es der Josef gewesen sein könnte, der auf die verrückte Idee mit dem Kreuz gekommen war.
    »Es sind halt verrückte Zeiten«, brummte der Gutmütige beiläufig, »und die Leut, die spüren des. In Reutin drüben, da bewaffnet sich die Bevölkerung schon.«
    Er hatte es nur so dahingesagt, doch alle hielten inne und sahen zu ihm hin. Er nahm es gar nicht wahr, so beschäftigt war er mit dem Sortieren seiner Karten, die wohl mehrere Varianten zuließen.
    »Bewaffnet?«, fragte der Berliner.
    Der Gutmütige sah auf. »Selbst hab ich es gesehen. Von der Steig runter ist ein ganzer Trupp gekommen, zum alten Rathaus hin. Haben eine Kanone gezogen. Eine richtige Kanone.«
    »Was? Was für eine Kanone? Welche Leute?«, krächzte die Katsch, mehr entrüstet darüber, von der Sache hier zum ersten Mal zu hören.
    »Reutiner halt«, erklärte der Gutmütige, und ließ ein »Eichel Solo« folgen.
    »Mit welcher Kanone?«, fragte Schielin.
    »Eine richtige Kanone«, sagte der Gutmütige ernst und spielte den Grün-Ober aus.
    Die Katsch ließ ein Murren hören und legte den Eichel-König auf. Der Stumme schmiss den Schell-Unter und der Berliner schimpfte zur Katsch hin.

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