Hexenstein
Lydia Naber offenbarte ihm deren Gemütszustand. Er überlegte. Tamara von Steinbach, noch verheiratete Haubacher, machte einen kleinen Fehler. Einige Sekunden, nachdem Dr. Müller geendet hatte, schob sie den Stuhl nach hinten und machte Anstalten aufzustehen.
Langsam wendete Lydia Naber den Kopf, fixierte sie und sprach langsam und drohend: »Sitzen … bleiben!«
Die Angesprochene drehte nur die Augen ihrem Anwalt zu. Ihr Kopf blieb auf die Polizistin gerichtet.
Als nichts zu hören war, setzte sie sich langsam wieder hin.
Schielin ließ ein unzufrieden klingendes Knurren hören. »Wissen Sie, Herr Dr. Müller. Das haben Sie alles sehr schön vorgetragen, doch ist es nicht ganz so, dass es keine objektiven Beweise geben könnte, die belegen, dass Ihre Mandantin nicht doch am Tatort war.«
»Und welche wären das?«
»Die Untersuchungen laufen noch und solange sie nicht zum Abschluss gebracht worden sind, können wir Frau Haubacher nicht gehen lassen«, er sah zu Lydia, »wir müssen Sie nun auch bitten uns zu entschuldigen, wir haben noch Pressetermine wahrzunehmen, die Öffentlichkeit hat ja auch ihr Recht, nicht wahr.«
Presse und Öffentlichkeit waren die zwei Worte, die Dr. Müllers Motivation beflügelten. »Was werden Sie der Presse denn mitteilen?«, fragte er.
»Dass wir zwei Tatverdächtige im Mordfall Kohn festgenommen haben«, er sprach nun leise und sehr betont weiter, »eine Tamara H., geborene von S., und ihren Ehemann Jürgen H.«
Dr. Müller ließ seine Hand über das Kinn gleiten. Als Lydia Naber sich erhob und zur Türe gehen wollte, sagte er: »Warten Sie. Warten Sie einen Augenblick.«
*
Die Durchsuchung des Haubachschen Hauses hatte keine neuen Erkenntnisse gebracht. Wenzel hatte herausgefunden, dass Jasmin Gangbachers Vermutung richtig war. Die Blutkreuze waren mit dem Katzenblut vom Tierheim an die Säulen geschmiert worden. Kimmel ließ Dr. Müller abblitzen, seine Mandantin doch noch aus der Haft herauszubekommen. Wenzel war immer noch im Keller beschäftigt und sicherte Fingerspuren auf Paketpapier. Jasmin Gangbacher suchte einen Paketdienstler zu erreichen, was schließlich glückte.
Schielin war für kurze Zeit nach Hause gefahren, um sich von Marja und den Kindern zu verabschieden, die vorgezogene Pfingstferien in der Schweiz antraten.
Am Abend stand fest, dass auf dem Paket, das im Kohnschen Haus gefunden worden war, ausschließlich die Fingerabdrücke von Tamara Haubacher zu finden waren. Der FedEx-Fahrer hatte das Paket einer Nachbarin übergeben, die dies freundlicherweise für ihre Nachbarn angenommen hatte. Er beschrieb die Frau als schwarzhaarig, um die dreißig, Tätowierung am Hals. Der Aufwand, der betrieben worden war, wäre so nicht erforderlich gewesen, wäre Lydia Naber etwas eher die sichergestellten Sachen aus dem Haus Haubacher durchgegangen. Sie hatte am Handy von Jürgen Haubacher alle Daten gesichtet und war auf eine Reihe Fotos gestoßen, die Jürgen Haubacher in seiner grenzenlosen Naivität mit dem Handy geknipst hatte. Die Fotos zeigten seine Frau, wie sie die in den Müllsack verpackte Leiche Gundolf Kohns nach hinten zerrte. Sie war gut zu erkennen und hatte nicht mitbekommen, was ihr Mann da tat. Gut für ihn, denn im anderen Fall hätte sie vielleicht einen zweiten Müllsack für ihn übrig gehabt.
Dr. Müller war von den Neuigkeiten schockiert und sann über eine neue Verteidigungsstrategie nach. Er hatte das Positive der Nachricht noch nicht erfasst.
Auf der Dienststelle der Lindauer Kripo war man da schon weiter.
»Und es waren nur ihre Fingerabdrücke auf dem Ding?«, fragte Schielin nach.
Wenzel hob die Hände, wie zur Entschuldigung. »Die vom Paketfahrer auch, aber ganz sicher nicht die von Gundolf Kohn oder seiner Frau. Die haben wir als Gegenvergleich.«
»Das ist schlecht«, sagte Lydia Naber.
Erich Gommert verstand die Niedergeschlagenheit nicht und sah verwundert in die Runde.
Jasmin Gangbacher erklärte: »Es bedeutet, sie hat das Paket niemandem übergeben. Weder Gundolf Kohn noch seine Frau hatten es in der Hand. Da macht ein guter Verteidiger ein richtiges Ass draus.«
Später saßen sie noch im Büro. Schielin schrieb Berichte und Lydia ordnete Ausdrucke für die Staatsanwaltschaft. Alles brauchte man dreifach.
Sie erzählte von ihrem Besuch bei den Kinkelins, dass er nicht sonderlich ergiebig gewesen war.
»Sind etwas distanziert, die zwei Alten«, meinte Schielin nebenzu, ohne den Blick vom Bildschirm zu
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