Hexenstein
Ton zu sagen.
Die Vernehmung seiner Frau hingegen gestaltete sich sehr einfach. Wie sie inzwischen von ihr wussten, war sie das schwarze Schaf der Familie von Steinbach und ihr Vater Justitiar eines sehr großen, in München ansässigen Unternehmens.
Seine Tochter schwieg und schickte böse Blicke durch den Vernehmungsraum. Ihre Aufsässigkeit gründete in dem unterbewusst und unendlich tief verankerten Wissen, nicht alleine zu sein. Gegen Lydia Naber schien sie ganz besonders starke Aversionen zu empfinden, denn jedes Mal, wenn sie etwas sagte, war von Tamara Haubacher, geborene von Steinbach, ein angewidertes Schnauben zu hören. Die hatte lange mit Dr. Müller alleine im Vernehmungsraum verbracht, um sich zu beraten. Dazu kam ein kurzes Telefonat mit München. Man vermutete mit Herrn Papa.
Während des folgenden Termins ließ sich Tamara Haubacher in keiner Situation zu auch nur einem Wort hinreißen, denn ganz im Gegensatz zu ihrem Mann hatte sie, so verkommen sie auch war, aus ihrer großbürgerlichen Erziehung eines mitgenommen: Es gab Situationen, in denen man Vertrauen haben musste. Diese Erkenntnis hatte ihr Mann nie erlangt, weswegen er immer nur auf sich vertraute, und dies war sein Elend im Getriebe einer formalisierten Welt.
Dr. Müller hatte seine Hände über den Akten gefaltet. Ein schlichter goldener Ring leuchtete von seiner rechten Hand. Er referierte ruhig. »Die Umstände möchte ich als durchwegs bedauerlich bezeichnen. Bedauerlich hinsichtlich der Tatsache, dass sich der Mann von Frau von Steinbach dazu hat hinreißen lassen, seine Frau in seinen Ausführungen zu beschuldigen.«
Lydia Naber ließ ein gehässiges Lächeln über ihr Gesicht gleiten. Für Dr. Müller war seine Mandantin also bereits geschiedene Alleinerziehende.
»Aus den Akten ergibt sich jedoch keinerlei Hinweis darauf, dass meine Mandantin sich am Tatort aufgehalten hätte, geschweige denn mit den Geschehnissen dort in irgendeinem Zusammenhang steht. Die Spurenlage weist in dieser traurigen Angelegenheit eindeutig auf ihren Mann hin. Wir verweisen auf das Aussageverweigerungsrecht, das meiner Mandantin ihrem Ehemann gegenüber zusteht und ich hoffe, Sie unterlassen es in irgendeiner Weise Druck auszuüben. Die Kinder, darauf möchte ich noch gesondert eingehen, die Kinder sind für Sie absolut tabu. Ein entsprechendes Schriftstück erhalten Sie für die Akten. Ich habe bereits ein Gespräch mit dem zuständigen Jugendamt geführt, und von dortiger Seite war man sehr kooperativ und kompetent. Es wird von dort, also der zuständigen Fachdienststelle, als notwendig erachtet die Kinder möglichst schnell wieder der Mutter zuzuführen. Dem …«, er unterbrach kurz und sah in die Runde, »dürfte ja auch nichts entgegenstehen, meine Herren.«
»Und Damen«, ergänzte Lydia Naber, der die Falschheit von Tamara Haubacher beinahe Magenschmerzen bereitet hätte. So schnell war das also gegangen. Jürgen Haubacher war schon Vergangenheit, fallen gelassen wie ein heißer Stein. Sie hätte gerne gewusst, welchen Inhalt das kurze Telefonat gehabt hatte. Sie hatte nur einmal kurz das Wort Papa aufgeschnappt, als sie völlig zufällig und selbstverständlich in Gedanken versunken in den Raum getreten war und hatte sich auch sofort entschuldigt. Papa von Steinbach zog also die Fäden im Hintergrund, wollte sein verirrtes Mädelchen aus dem Sumpf ziehen, in das es durch böse Menschen geraten war.
Dr. Müller räusperte sich. Es war ganz unglaublich, aber man konnte der Meinung sein, es wäre ihm etwas peinlich, so wie er sich gerade gab. Er setzte zweimal an. »Was … was die Verteidigung von Herrn Haubacher angeht, so werden ich einen Kollegen bitten …«
Schielin lachte kurz auf und nickte Dr. Müller auffordernd zu.
»… einen Kollegen bitten …«
»Könnte es nicht auch eine Kollegin sein?«, fragte Lydia Naber unschuldig.
»… die Angelegenheit von Herrn Haubacher zu vertreten und selbstverständlich kann dies auch eine Kollegin sein.«
Lydia Naber schloss die Augen. Jürgen Haubacher sollte also die ganze Angelegenheit schultern und das falsche Stück ihr gegenüber würde sich wieder in die schützende Trutzburg der Familie zurückbegeben. Wie lange wohl?
Sie hörte Dr. Müller sagen: »Ich gehe davon aus, dass meine Mandantin mit mir die Dienststelle verlassen kann. Wir wollen die Kinder abholen. Den neuen Wohnsitz habe ich Ihnen hier vermerkt … für Ihre Akten.«
Schielin schwieg. Ein Blickkontakt mit
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