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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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»wußte« sie allerlei über die Leute, und zu den wunderlichsten Gelegenheiten sprudelte sie diese Geheimnisse hervor. Man behielt sie zu Hause, und obgleich mehr als ein Mann sich in sie verliebte, erlaubte Marie Claudette doch nie, daß sie heiratete.
    Auch Marie Claudettes einziger Sohn Pierre durfte nicht heiraten. Er war zweimal »verliebt«, fügte sich aber beide Male seiner Mutter, als sie ihm die Erlaubnis zur Hochzeit verweigerte. Seine zweite »heimliche Verlobte« versuchte sich das Leben zu nehmen, als Pierre sie verstieß. Danach ging er nur noch selten aus, aber man sah ihn oft in Gesellschaft seiner Mutter.
    Pierre war eine Art Arzt für die Sklaven; er kurierte sie mit verschiedenen Tränklein und Arzneien. Eine Zeitlang studierte er sogar Medizin – bei einem alten, stets betrunkenen Arzt in New Orleans -, aber dabei kam nicht viel heraus. Botanik machte ihm ebenfalls Spaß, und er verbrachte viel Zeit im Garten, wo er arbeitete und Blumen zeichnete.
    Es war kein Geheimnis, daß Pierre sich um das Jahr 1820 in New Orleans eine Geliebte nahm, eine junge Mischlingsfrau von exquisiter Schönheit, die man den Tratschgeschichten zufolge leicht für eine Weiße hätte halten können. Von ihr hatte Pierre zwei Kinder, eine Tochter, die in den Norden ging, und einen Sohn, François, 1825 geboren, der in Louisiana blieb und später für die Familie einen beträchtlichen Teil der verwalterischen Bürotätigkeiten erledigte. Gleichsam ein vornehmer Schreiber, besaß er offenbar die Zuneigung aller weißen Mayfairs, vor allem der Männer, die zu Geschäften in die Stadt kamen.
    Es scheint, daß jeder in der Familie Marguerite anbetete. Als sie zehn Jahre alt war, ließ man ihr Porträt malen, auf dem sie mit der berühmten Smaragdkette zu sehen ist. Dieses Bild hing später an einer Wand im Haus an der First Street in New Orleans.
    Marguerite war von zierlicher Gestalt; sie hatte dunkles Haar und leicht aufwärtsgewandte schwarze Augen. Sie galt als Schönheit, und ihre Kindermädchen, die zu gern das lange schwarze, wellige Haar bürsteten, nannten sie »La petite Gypsy«, die kleine Zigeunerin. Anders als ihre schwachsinnige Schwester und ihr willfähriger Bruder hatte sie ein wildes Temperament und einen heftigen und unberechenbaren Sinn für Humor.
    Mit zwanzig heiratete sie gegen Marie Claudettes Wunsch Tyrone Clifford McNamara, einen Opernsänger und wiederum »sehr gutaussehenden« Mann von extrem unpraktischer Natur, der die ganzen Vereinigten Staaten bereiste und als Star in den Opern von Boston, New York, St. Louis und anderen Städten auftrat. Erst als er sich wieder einmal auf eine solche Tournee begeben hatte, kehrte Marguerite von New Orleans nach Riverbend zurück und wurde dort von ihrer Mutter noch einmal empfangen. 1827 und 1828 brachte sie zwei Jungen zur Welt, Rémy und Julien. McNamara kam in dieser Zeit häufig nach Hause, allerdings immer nur zu Stippvisiten. In New York, Boston, Baltimore und anderen Städten, in denen er auftrat, war er bekannt für seine Frauen- und Saufgeschichten und für seine häufige Beteiligung an Prügeleien. Aber er war ein sehr populärer »irischer Tenor« jener Zeit, und wo er auftrat, hatte er ein volles Haus.
    1829 wurden Tyrone Clifford McNamara und eine Irin, vermutlich seine Geliebte, nach einem Brand in einem kleinen Haus im French Quarter tot aufgefunden; McNamara hatte das Haus offenbar für die Frau gekauft. Polizeiberichte und zeitgenössische Zeitungsartikel lassen darauf schließen, daß das Paar vom Rauch überwältigt wurde, während es vergebens versuchte, aus dem brennenden Haus zu fliehen.
    Dieses Feuer gab Anlaß zu beträchtlichem Tratsch in New Orleans, und zu dieser Zeit konnte die Talamasca mehr Informationen über die Familie Mayfair zusammentragen als in all den Jahren zuvor.
    Ein Kaufmann aus dem French Quarter berichtete einem unserer »Zeugen«, daß Marguerite »ihren Teufel« geschickt habe, damit er sich die beiden vornehme, und daß Marguerite überhaupt mehr über Voodoo wisse als irgendeiner von den Schwarzen in Louisiana. Es hieß, Marguerite habe einen Voodoo-Altar in ihrem Haus, sie benutze Salben und Tränke als Medizin und Liebeszauber, und überallhin lasse sie sich von zwei wunderschönen Viertelnegerinnen begleiten, ihren Zofen Marie und Virginie, und von ihrem Kutscher, einem Mulatten namens Octavius.
    Marie Claudette war zu jener Zeit noch am Leben, aber sie ging nur noch selten aus. Marguerite aber zog alle

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