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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Augustin zusammen in der Plantagenverwaltung zu arbeiten, und nach und nach übernahm er diese Tätigkeit vollständig. Bei dem Dinner anläßlich seines achtzehnten Geburtstags kam es zu einem unglückseligen »Zwischenfall« mit einer neuen Pistole, bei welchem »der arme Onkel Augustin« von Julien in den Kopf geschossen und getötet wurde.
    Dies war möglicherweise tatsächlich ein Unfall, denn alle Berichte deuten darauf hin, daß Julien hernach »vom Schmerz übermannt« war. Aber in mehr als einer Erzählung heißt es auch, die beiden hätten um die Waffe gerungen, als der Unfall passierte. Einmal heißt es, Julien habe Augustins Ehrlichkeit in Frage gestellt, Augustin habe daraufhin gedroht, ihm dafür das Hirn aus dem Kopf zu blasen, und Julien habe nur versucht, ihn daran zu hindern. Eine andere Geschichte behauptet, Augustin habe Julien eines »Verbrechens wider die Natur« mit einem anderen Knaben bezichtigt, und sie hätten deshalb zu streiten begonnen; Augustin habe die Waffe hervor gezogen, und Julien habe versucht, sie ihm wegzunehmen.
    Wie es auch immer gewesen sein mag, es wurde jedenfalls niemand wegen irgendeines Verbrechens vor Gericht gestellt, und Julien wurde zum unangefochtenen Leiter der Plantage. Schon im zarten Alter von fünfzehn Jahren hatte er sich als sehr geeignet dafür erwiesen; er stellte die Ordnung unter den Sklaven wieder her und verdoppelte im folgenden Jahrzehnt die Produktion der Pflanzung. Sein Leben lang blieb er der eigentliche Chef des Unternehmens, obgleich seine jüngere Schwester Katherine das Vermächtnis erbte.
    Marguerite verbrachte die letzten Jahrzehnte ihres sehr langen Lebens in jener Bibliothek voll »schrecklicher und abscheulicher« Dinge und las. Fast immer redete sie laut mit sich selbst. Sie stand vor einem Spiegel und führte lange Gespräche in englischer Sprache mit ihrem Spiegelbild. Sie redete überdies ausführlich mit ihren Pflanzen, von denen viele aus dem ursprünglich von ihrem Vater, Henri Marie Landry, angelegten Garten stammten.
    Die Sklaven begannen Marguerite zu hassen und wollten nicht mehr in ihre Nähe kommen – mit Ausnahme ihrer Zofen Virginie und Marie; Virginie, so heißt es, habe sie im Alter sogar ein wenig schikaniert.
    1859 erzählte eine entlaufene Sklavin dem Gemeindepriester, Marguerite habe ihr das Baby gestohlen und es für den Teufel in Stücke geschnitten. Der Priester meldete das den Behörden, und es gab eine Untersuchung; aber Katherine und Julien, die bei jedermann beliebt und bewundert waren und Riverbend mit kundiger Hand leiteten, erklärten, die Sklavin habe eine Fehlgeburt erlitten und es habe im eigentlichen Sinne gar kein Baby gegeben; die Leibesfrucht aber sei getauft und ordnungsgemäß begraben worden.
    Was immer sonst vor sich gehen mochte, Rémy, Julien und Katherine wuchsen anscheinend glücklich und von Luxus umgeben auf, und sie erfreuten sich all dessen, was das New Orleans der Vorkriegszeit zu bieten hatte, einschließlich des Theaters, der Oper und endloser privater Festveranstaltungen.
    Häufig kamen sie als Trio in die Stadt, bewacht nur von einer mischblütigen Gouvernante; sie wohnten dann in einer Luxussuite im St. Louis Hotel und kauften die modischen Geschäfte leer, ehe sie wieder aufs Land zurück kehrten. Damals machte eine schockierende Geschichte die Runde, derzufolge Katherine die berühmten Viertelneger-Bälle habe sehen wollen, wo junge, mischblütige Frauen mit ihren weißen Freiern tanzten. Sie sei mit ihrer Mischlingszofe zum Ball gegangen, und dort habe sie sich selbst als Mischling ausgegeben und alle getäuscht. Sie hatte sehr dunkles Haar und dunkle Augen, aber helle Haut, und sie sah nicht im geringsten afrikanisch aus – aber das taten viele der Mischlinge nicht.
    Als die alte Wärterin die Geschichte hörte, verschlug es ihr die Sprache. Die jungen weißen Männer, die mit Katherine getanzt und geglaubt hatten, sie sei »eine Farbige«, fühlten sich gedemütigt und empört. Katherine und Julien und Rémy fanden die Geschichte amüsant. Julien hatte mindestens ein Duell in der Angelegenheit, bei dem er seinen Gegner schwer verwundete.
    1857, als Katherine siebzehn war, kauften sie und ihre Brüder ein Grundstück in der First Street im Garden District von New Orleans, und sie beauftragten den irischen Architekten Darcy Monahan, dort das Haus zu bauen, in dem die Mayfairs heute wohnen. Wahrscheinlich war dieser Kauf die Idee Juliens, der eine permanente Stadtresidenz haben

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