Hexenstunde
erweitert; zur selben Zeit verlagerte sie einen großen Teil ihres Barvermögens von Banken in Holland und Rom auf Banken in London und in New York.
DAS VERMÄCHTNIS
Das »Vermächtnis« ist eine ungeheuer verwickelte und quasi juristische Serie von Vereinbarungen, überwiegend getroffen mit den Banken, bei denen das Geld der Familie deponiert ist. Es ist das Fundament für ein Vermögen, welches nicht nach den Erbschaftsgesetzen irgendeines Landes verteilt werden kann. Im Kern sorgt es dafür, daß die Masse des Mayfair-Vermögens, Geld und Immobilien, in jeder Generation in den Händen einer einzigen Person bleibt; die jeweils lebende Erbin bestimmt die nächste, und nur in dem Fall, daß sie sterben sollte, ohne diese Entscheidung getroffen zu haben, geht das Vermögen an ihre älteste Tochter. Nur wenn keine weiblichen Erben existieren, bekommt ein Mann die Verfügungsgewalt über das Geld. Indes kann die Erblasserin einen Mann zum Erben einsetzen, wenn es ihr beliebt.
Soweit es der Talamasca bekannt ist, hat keine Erblasserin das Zeitliche gesegnet, ohne eine Erbin zu bestimmen, und nie ist das Erbe auf ein männliches Kind übergegangen. Rowan Mayfair, die jüngste lebende Mayfair-Hexe, wurde bei ihrer Geburt von ihrer Mutter Deirdre als Erbin bestimmt, wie diese bei ihrer Geburt von Antha und diese bei ihrer Geburt von Stella, und so weiter und so fort.
Das Vermächtnis sieht überdies ungeheure Vorteile für die anderen Kinder der Erblasserin (die Geschwister der Haupterbin) in jeder Generation vor, wobei Frauen in der Regel doppelt soviel erhalten wie Männer. Indessen kann dem Vermächtnis zufolge niemand Erbe werden, wenn er oder sie nicht öffentlich und privat den Namen Mayfair trägt. Wo Gesetze verhinderten, daß die Erbin den Namen legal trug, wurde seine gewohnheitsmäßige Verwendung gleichwohl niemals rechtlich angefochten.
Das Originalvermächtnis enthält zudem komplexe Vorkehrungen für mittellose Mayfairs, die um Hilfe bitten, voraus gesetzt, sie haben immer den Namen Mayfair benutzt und stammen von Personen ab, die es ebenfalls getan haben. Die Erbin kann überdies bis zu zehn Prozent des Erbes an andere Mayfairs, die nicht ihre Kinder sind, vermachen, aber auch hier muß der Name Mayfair von einer solchen Person aktiv benutzt werden, oder die Übereignung ist null und nichtig.
Im zwanzigsten Jahrhundert haben zahlreiche »Cousinen« Geld aus dem Erbe bezogen, hauptsächlich durch Mary Beth Mayfair und ihre Tochter Stella, aber auch durch Deirdre, die das Geld durch Cortland Mayfair zuweisen ließ. Viele dieser Personen sind inzwischen reich, da solche Bitten häufig im Zusammenhang mit Investitionen oder geschäftlichen Unternehmungen vorgetragen wurden, die auch die Billigung der Erblasserin oder ihrer Verwalterin fanden.
Die Talamasca weiß heute von rund fünfhundertfünfzig Nachkommen, die den Namen Mayfair tragen; mindestens die Hälfte dieser Personen kennt die Kernfamilie in New Orleans und weiß etwas über das Vermächtnis, auch wenn sie durch viele Generationen von dem ursprünglichen Erbvermögen getrennt sind.
NACHKOMMEN
Die Talamasca hat bei zahlreichen Nachkommen Ermittlungen angestellt und herausgefunden, daß leichte übersinnliche Kräfte unter ihnen weit verbreitet sind; manche zeigen sie sogar in außergewöhnlichem Maße. Es ist überdies gebräuchlich, von den Ahnfrauen in Saint Domingue als »Hexen« zu sprechen und zu sagen, sie seien »Geliebte des Teufels« gewesen und hätten ihm ihre Seele verkauft, und der Teufel habe die Familie reich gemacht.
Diese Legenden werden heutzutage leichthin und oft mit Humor oder mit Staunen und Neugier erzählt, und die Mehrheit der Nachkommen, mit denen die Talamasca begrenzten Kontakt hatte, weiß eigentlich nichts Konkretes über ihre Geschichte, obgleich sie scherzhaft äußern: »Unsere Ahnfrauen hat man in Europa auf dem Scheiterhaufen verbrannt« oder »Wir blicken auf eine lange Hexenvergangenheit zurück.«
Unter ihnen allen sind Geschichten über Geistersehen, Vorahnungen, »Telefonanrufe von Toten« und leichte Fälle von Telekinese keineswegs ungewöhnlich. Mayfairs, die so gut wie nichts über die Familie in New Orleans wissen, spielen eine Rolle in nicht weniger als zehn verschiedenen Geistergeschichten in mehreren veröffentlichten Büchern. Drei verschiedene, entfernt verwandte Mayfairs haben enorme übersinnliche Kräfte an den Tag gelegt. Aber es findet sich kein Hinweis darauf, daß sie diese
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