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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Desgleichen ein Verwandter der Mayfairs aus New York – Dr. Cornell Mayfair -, der 1945 eigens nach New Orleans gekommen war, um die kleine, damals achtjährige Deirdre zu sehen und Carlottas Behauptung, Antha sei von angeborenem Wahnsinn befallen gewesen und Deirdre würde wahrscheinlich ebenfalls daran leiden, zu überprüfen.
    Ich akzeptierte die Bedingungen des Auftrags, und ich machte mich daran, die Tagebücher Petyr van Abels zu übersetzen. Einstweilen genehmigte man mir einen unbegrenzten Etat, damit ich die Forschung in jede denkbare Richtung weitertreiben konnte. Also begann ich zugleich mit einer »Fern-Erkundung« der aktuellen Situation der zwölfjährigen Deirdre Mayfair. Anthas einzigem Kind.
    Ich hoffe und bete, daß ich trotz der Täuschungen, die ich im Zusammenhang mit meiner Arbeit habe aufrechterhalten müssen, niemandes Vertrauen jemals wirklich hintergangen habe. Gutes zu tun mit dem, was ich weiß – das ist der Imperativ meines Lebens.
    Der zweite Faktor, der meine Interviews und meine Feldforschung beeinflußt, ist mein kleines gedankenleserisches Talent. Ich empfange häufig Namen und Einzelheiten aus den Gedanken der Menschen. Im allgemeinen nehme ich solche Informationen nicht in meine Berichte auf, weil sie zu unzuverlässig sind. Aber zweifellos haben meine telepathischen Erkenntnisse mich im Laufe der Jahre mit bedeutsamen Hinweisen versorgt. Dieses Talent ist auch ohne Zweifel mit meiner ausgeprägten Fähigkeit, Gefahr zu spüren, verknüpft, wie sich in der folgenden Erzählung schließlich zeigen wird…
    Aber nun ist es an der Zeit, zu unserer Erzählung zurückzukehren und die tragische Geschichte von Anthas Leben zu Deirdres Geburt zu rekonstruieren.
     
    DIE MAYFAIR-HEXEN VON 1929
    BIS ZUR GEGENWART
     
    Antha Mayfair
     
    Mit Stellas Tod ging für die Mayfairs eine Ära zu Ende. Und die tragische Geschichte von Stellas Tochter Antha und ihrem einzigen Kind Deirdre ist geheimnisumwoben bis auf den heutigen Tag.
    Im Laufe der Jahre schrumpfte das Hauspersonal in der First Street auf zwei schweigsame, für uns unerreichbare, absolut loyale Bedienstete zusammen; die Außengebäude, die nun für Hausmädchen und Kutscher und Stallburschen nicht mehr gebraucht wurden, verfielen allmählich.
    Die Frauen der First Street führten ein zurückgezogenes Leben; Belle und Millie Dear wurden die »süßen alten Ladys« des Garden District, wie sie täglich zur Messe in die Kapelle an der Prytania Street gingen oder in ihrer unaufhörlichen und dabei völlig erfolglosen Gartenarbeit innehielten, um ein Schwätzchen mit Nachbarinnen zu halten, die am eisernen Zaun vorüber kamen.
    Nur sechs Monate nach dem Tod ihrer Mutter wurde Antha aus einem kanadischen Internat geworfen, dem letzten öffentlichen Institut, das sie je besuchen sollte. Es war eine überraschend einfache Sache für einen Privatdetektiv, sich von einem tratschenden Lehrer berichten zu lassen, wie Antha die Leute in Angst und Schrecken versetzt hatte: Sie hatte Gedanken gelesen, mit ihrem unsichtbaren Freund geplaudert und diejenigen, die sich über sie lustig gemacht oder hinter ihrem Rücken getuschelt hatten, bedroht. Man schilderte sie als nervöses Mädchen, das stets geweint und sich bei jeder Art von Wetter über die Kälte beklagt habe; überdies habe sie unter langanhaltenden und unerklärlichen Anfällen von Fieber und Schüttelfrost gelitten.
    Carlotta Mayfair holte Antha mit dem Zug von Kanada ab, und soweit wir wissen, verbrachte Antha bis zu ihrem siebzehnten Lebensjahr keine Nacht mehr außerhalb des Hauses in der First Street.
    Inzwischen hatte das Haus eine Aura von beständiger Düsternis angenommen. Die Blendläden wurden niemals geöffnet. Die violett-graue Farbe begann abzublättern, und der Garten verwilderte längs des eisernen Zaunes; Kirschlorbeer und Regenbäume sprossen zwischen den alten Kamelien und Gardenien, die in früheren Jahren so sorgsam gepflegt worden waren. Als der alte, leerstehende Stall 1938 bis auf die Grundmauern niederbrannte, war die freie Fläche am Ende des Grundstücks bald von Unkraut überwuchert. Ein anderes baufälliges Nebengebäude wurde kurz danach abgerissen, und es blieb nichts außer der alten Gargonniere und einer großen, wunderschönen Eiche, deren Äste spitz über das wilde Gras zum fernen Haupthaus deuteten.
    1934 erhielten wir die ersten Berichte von Handwerkern, die sich außerstande sahen, Reparaturen oder andere Arbeiten am Haus zu Ende zu bringen. Die

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