Hexenstunde
Gebrüder Molloy erzählten allen in der Corona’s Bar in der Magazine Street, sie hätten das Haus nicht anstreichen können, weil jedesmal, wenn sie sich umgedreht hätten, ihre Leitern umgekippt seien; auch sei ihre Farbe ausgegossen worden, und ihre Pinsel seien in den Staub geworfen worden. »Das muß mindestens sechsmal passiert sein«, erzählte Davey Molloy, »daß mir der Farbeimer umkippte, von der Leiter runter und auf die Erde. Jetzt hab’ ich mein Lebtag noch keinen vollen Farbeimer umgeschmissen! Hat sie aber zu mir gesagt, Miss Carlotta: ›Sie haben den Eimer selber umgeschmissen.‹ Na, aber als dann auch die Leiter mit mir umkippte – ich sage euch, da hat’s mir gereicht. Da bin ich gegangen.«
Daveys Bruder Thompson Molloy hat eine Theorie, wer verantwortlich sein könnte. »Dieser Kerl mit den dunklen Haaren, der uns immer beobachtet hat. Ich hab’s auch Miss Carlotta gesagt: ›Glauben Sie nicht, daß der das machen könnte? Der Bursche, der immer da drüben unter dem Baum steht?‹ Da tat sie, als ob sie nicht wüßte, wovon ich rede. Aber er hat uns immer beobachtet. Wir wollten die Wand an der Chestnut Street ausbessern, und da sehe ich, wie er durch die Blendläden aus der Bibliothek zu uns rausschaut. Ist mir eiskalt über den Rücken gelaufen. Wer ist das? Ist er einer von den Verwandten? Ich arbeite da jedenfalls nicht mehr. Ist mir egal, wie schlecht die Zeiten sind, ich arbeite an dem Haus nicht mehr.«
1935 war es im Irish Channel allgemein bekannt, daß man an dem »alten Haus« nichts reparieren könne. Als im selben Jahr zwei junge Männer beauftragt wurden, den Swimming-pool zu säubern, wurde einer von ihnen in das abgestandene Wasser geschleudert und wäre fast ertrunken. Der andere hatte eine Heidenmühe, ihn heraus zuziehen. »Irgend wie konnte ich überhaupt nichts sehen. Ich hatte ihn gepackt und brüllte, daß mir jemand helfen sollte, und dann versanken wir in all dem Modder. Aber Gott sei Dank bekam er noch den Rand zu fassen, und dann hat er mich gerettet. Die alte Farbige, Tante Easter, kam mit einem Handtuch heraus und schrie: Verschwindet bloß von dem Swimming-pool. Vergeßt das Saubermachen. Verschwindet. ‹«
Kurz darauf erschien in der Times-Picayune eine vage Story, in der von einer »mysteriösen Stadtvilla« die Rede war, in der niemand arbeiten könne. Dandrich schickte den Ausschnitt nach London.
Einer unserer Detektive ging mit der Reporterin essen. Sie erzählte mit Vergnügen von der Sache – und tatsächlich, es war das Mayfair-Haus. Jeder wisse das, sagte sie. Ein Klempner habe erzählt, er habe stundenlang unter dem Haus festgesessen, als er eine Rohrleitung habe in Ordnung bringen wollen. Er hatte sogar das Bewußtsein verloren. Als er wieder zu sich gekommen und hinausgekrochen sei, habe man ihn ins Krankenhaus bringen müssen. Dann sei da der Mann vom Telegraphenamt, der einen Apparat in der Bibliothek reparieren sollte. Er erklärte, er werde nie wieder einen Fuß in dieses Haus setzen. Eines der Porträts an der Wand habe ihn tatsächlich angeschaut. Und er sei sicher, daß er im selben Zimmer einen Geist gesehen habe.
»Ich hätte noch sehr viel mehr schreiben können«, sagte die junge Frau. »Aber die Leute von der Zeitung wollen keinen Ärger mit Carlotta Mayfair haben. Habe ich Ihnen von dem Gärtner erzählt? Er geht regelmäßig hin, um den Rasen zu mähen, und er hat etwas ganz Komisches gesagt, als ich ihn anrief. Er sagte: ›Oh, er stört mich nie. Wir beide kommen prima miteinander aus. Wir sind richtige Freunde, er und ich.‹ Was glauben Sie, von wem redet dieser Mann? Als ich ihn fragte, sagte er: ›Gehen Sie nur hin. Dann werden Sie ihn schon sehen. Er war schon immer da. Mein Großvater hat ihn auch schon gesehen. Er ist in Ordnung. Er kann sich nicht bewegen oder mit einem reden; er steht bloß da und schaut einen aus dem Schatten an. Man sieht ihn, und im nächsten Moment ist er weg. Aber mich stört er nicht. Mir ist er ganz recht. Ich kriege viel Geld dafür, daß ich da arbeite. Ich habe da immer schon gearbeitet. Mir macht er keine angst.‹«
»Ich glaube, Carlotta selbst hat diese albernen ›Geistergeschichten‹ in die Welt gesetzt«, meinte eine Cousine Jahre später. »Sie wollte die Leute vom Anwesen fernhalten. Wir haben nur gelacht, als wir das alles hörten. Geister in der First Street? Carlotta war dafür verantwortlich, daß das Haus verwahrloste. So war sie immer – sparsam im Kleinen und
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