Hexenstunde
erfuhren, Antha sei fortgelaufen und wolle nach Manhattan. Ob sie bei der Suche behilflich sein wollten? Erst diese New Yorker Verwandten informierten die Verwandten in New Orleans. Verwandte riefen Verwandte an. Ein paar Tage später schrieb Irwin Dandrich nach London, »die arme kleine Antha« habe nach der Freiheit gegriffen. Sie sei nach New York City geflüchtet. Aber wie weit würde sie kommen?
Wie sich herausstellte, kam Antha ziemlich weit.
Monatelang wußte niemand, wo Antha Mayfair sich aufhielt. Weder die Polizei noch Privatdetektive oder Verwandte konnten ihre Spur entdecken. Carlotta fuhr in dieser Zeit dreimal mit dem Zug nach New York und bot allen Bediensteten der New Yorker Polizeibehörde stattliche Belohnungen für ihre Hilfe bei der Suche. Sie besuchte Amanda Grady Mayfair und bedrohte sie regelrecht.
Wie Amanda unserem »getarnten« Detektiv später erzählte: »Es war einfach furchtbar. Sie bat mich zum Lunch ins Waldorf. Na, natürlich war ich nicht begeistert. Es war ja, als sollte ich in den Zoo kommen und mit dem Löwen im Käfig zu Mittag essen. Aber ich wußte, daß sie in großer Sorge wegen Antha war, und ich glaube, ich wollte ihr gern meine Meinung sagen. Ich wollte ihr sagen, daß sie Antha vertrieben hatte und daß sie das arme kleine Mädchen nie von ihren Onkeln und Tanten und Cousins und Cousinen hätte isolieren dürfen, die sie doch alle liebten.
Aber kaum saß ich am Tisch, fing sie an, mir zu drohen: ›Ich sage dir, Amanda, wenn du Antha bei dir versteckst, dann kann ich dir so viele Schwierigkeiten machen, wie du es dir nicht vorstellen kannst.‹ Am liebsten hätte ich ihr meinen Drink ins Gesicht gekippt, so wütend war ich. Ich sagte: ›Carlotta Mayfair, sprich nie wieder mit mir. Rufe mich nie wieder an, schreibe mir nicht und komme nicht in mein Haus. Ich hatte schon in New Orleans genug von dir. Ich hatte genug von dem, was deine Familie mit Pierce und mit Cortland angestellt hat. Komm nie wieder in meine Nähe.‹ Ich sage Ihnen, ich war vor Wut außer mir, als ich das Waldorf verließ. Aber wissen Sie, es ist eine regelrechte Technik bei Carlotta: Sie beschuldigt einen, sobald man ihr gegenübertritt. Macht sie eigentlich schon seit Jahren so. Auf diese Weise hat man von vornherein keine Chance, ihr etwas vorzuwerfen.«
Im Winter 1939 machten unsere Detektive Antha auf ganz simple Weise ausfindig. In einer Routinebesprechung mit Evan Neville äußerte Elaine Barrett, unsere Hexenforscherin, die Vermutung, Antha müsse ihre Flucht mit den berühmten Mayfair-Juwelen und Goldmünzen finanziert haben. Warum erkundigte man sich nicht in den Läden in New York, in denen sich derlei schnell zu Geld machen ließ?
Noch im selben Monat war Antha gefunden.
Tatsächlich hatte sie regelmäßig seltene und exquisite Goldmünzen verkauft und davon seit ihrer Ankunft gelebt. Jeder Münzhändler in New York kannte sie – die hübsche junge Frau mit den vorzüglichen Manieren und dem fröhlichen Lächeln, die stets Ware der allerseltensten Art brachte – aus einer Familiensammlung in Virginia, wie sie sagte.
Es war ein Kinderspiel, Antha von einem dieser Läden zu einem großen Apartment in der Christopher Street in Greenwich Village zu folgen, wo sie mit Sean Lacy zusammenwohnte, einem hübschen, jungen irisch-amerikanischen Maler, der einen sehr vielversprechenden Eindruck machte und der schon mehrere seiner Arbeiten unter dem Beifall der Kritik auf Ausstellungen präsentiert hatte. Antha selbst war Schriftstellerin geworden. Alle im Haus und im ganzen Block kannten das junge Paar. Fast über Nacht konnten unsere Ermittler ganze Pakete von Informationen zusammentragen.
Antha ernährte Sean Lacy, sagten Freunde ganz offen. Sie kaufte ihm, was er wollte, und er behandelte sie wie eine Königin. »Ja, er nennt sie seine ›Southern Belle‹, und er tut alles für sie. Aber warum auch nicht?« Das Apartment sei ein »wunderbarer Ort«, voll mit Bücherregalen bis unter die Decke und großen, alten, bequemen Polstersesseln.
»Sean hat noch nie so gut gemalt. Drei Porträts hat er von ihr gemacht, und alle sehr interessant. Und dauernd hört man Anthas Schreibmaschine klappern. Ich habe gehört, sie hat eine kleine Geschichte an ein Literaturmagazin in Ohio verkauft. Aus dem Anlaß haben sie eine Party gegeben. Sie war so glücklich. Eigentlich ist sie ja ein bißchen naiv. Aber sie ist schon ein tolles Mädchen.«
»Sie wäre eine gute Schriftstellerin, wenn sie über das
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