Hexenstunde
abrupt. Als die Verwandten zum zweiten oder dritten Mal zu Besuch kommen wollten, wurden sie plötzlich abgewiesen – von dem schwarzen Hausmädchen, Tante Easter, oder von Nancy. Nancy hatte sogar ihre Stellung als Sachbearbeiterin in einem Büro aufgegeben, um sich um das Baby zu kümmern (»Oder um uns auszusperren!« sagte Beatrice in einem Ferngespräch zu Amanda), und sie blieb unerbittlich dabei, daß Mutter und Baby nicht gestört werden dürften.
Als Beatrice anrief, um sich nach der Taufe zu erkundigen, erfuhr sie, daß das Baby bereits in St. Alphonsus getauft worden sei. Empört informierte sie Amanda in New York. Rund zwanzig Verwandte »stürmten« daraufhin das Haus an einem Sonntag nachmittag.
»Antha war überglücklich, sie zu sehen«, erzählte Amanda unserem Allan Carver. »Sie war einfach entzückt. Sie hatte keine Ahnung, daß sie immer wieder dagewesen waren. Niemand hatte es ihr gesagt. Sie wußte nicht, daß die Leute Taufpartys für ihre Kinder veranstalteten. Carlotta hatte alles arrangiert. Antha war gekränkt, als sie hörte, was geschehen war, und alle wechselten sofort das Thema. Beatrice war wütend auf Nancy. Aber Nancy tut ja auch nur, was Carlotta ihr sagt.«
Am 30. Oktober jenes Jahres wurde Antha offiziell zur Erbin und Bevollmächtigten des Vermächtnisses erklärt. Sie unterschrieb eine Rechtsvollmacht für Cortland und Sheffield Mayfair und erklärte sie zu ihren offiziellen Vertretern in allen Fragen des Vermögens, und sie wies sie an, unverzüglich einen umfangreichen Fonds für die »Restaurierung« des Hauses in der First Street zu begründen. Sie äußerste sich besorgt über den Zustand des ganzen Anwesens.
Unter Anwälten erzählte man sich, Antha sei wie vom Donner gerührt gewesen, als sie erfahren habe, daß ihr das Haus gehörte. Sie habe nie die leiseste Ahnung gehabt.
Sheffield erzählte seiner Mutter Amanda später, Antha sei hinsichtlich des Vermächtnisses mit Absicht hinters Licht geführt worden. Sie wirkte gekränkt und auch ein wenig schockiert, als man ihr alles erzählte. Und es war Carlotta, die sie gekränkt hatte. Trotzdem sagte Antha immer nur, Carlotta habe wahrscheinlich ihr Bestes im Sinn gehabt.
Zur Feier des Tages begab man sich zu einem verspäteten Lunch ins »Galatoire’s«. Antha war besorgt, weil sie das Baby allein ließ, aber sie schien sich trotzdem zu amüsieren. Beim Gehen hörte Sheffield, wie sie seinen Vater fragte: »Das heißt also, sie hätte mich nie aus dem Haus werfen können, selbst wenn sie es gewollt hätte? Sie hätte mich nicht auf die Straße setzen können?«
»Es ist dein Haus, ma chérie«, sagte Cortland. »Sie hat die Erlaubnis, dort zu wohnen, aber das hängt ausschließlich von deiner Einwilligung ab.«
Antha sah sehr traurig aus. »Sie hat mir immer gedroht«, sagte sie leise. »Sie hat immer gesagt, sie wirft mich auf die Straße, wenn ich nicht tue, was sie sagt.«
Ein paar Tage später traf sich Antha mit Beatrice Sheffield zum Lunch in einem anderen schicken Restaurant im French Quarter. Das Baby war auch dabei und eine Kinderfrau, die mit dem wunderschönen weißen Korbwagen spazieren ging, während die beiden Frauen sich an Wein und Fisch gütlich taten. Als Beatrice später Amanda alles erzählte, meinte sie, Antha sei wirklich zu einer jungen Frau herangewachsen. Sie schreibe auch wieder. Sie arbeite an einem Roman, und sie werde das Haus in der First Street vollständig wiederherrichten lassen.
Sie wollte auch den Swimming-pool wieder reparieren lassen, und sie sprach ein bißchen über ihre Mutter und über die großen Partys, die ihre Mutter so gern gegeben hatte. Sie war voller Leben.
Mitte November schrieb Antha einen kurzen Brief an Amanda Grady Mayfair und dankte ihr für ihre Hilfe in New York und dafür, daß sie ihr die Post aus Greenwich Village nachgeschickt hatte. Sie schreibe jetzt Kurzgeschichten, berichtete sie, und arbeite wieder an ihrem Roman.
Als Mr. Bordreaux, der Postbote, am 10. Dezember um neun Uhr auf seiner regelmäßigen Runde vorbeikam, erwartete Antha ihn am Gartentor. Sie hatte mehrere große braune Briefumschläge, die nach New York City gehen sollten – und ob sie bei ihm die Briefmarken dafür kaufen könne? Sie schätzten das Gewicht – sie sagte, sie könne das Baby nicht allein lassen und selbst zur Post gehen -, und er nahm die Päckchen mit. Außerdem übergab sie ihm noch ein Bündel normaler Briefe an diverse New Yorker Adressen.
»Sie war ganz
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