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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Ohr: ›Verwahre alle meine Sachen, bitte, Tante Mandy. Sie wirft sonst alles weg.‹ Aber da hatte ich ja schon alles nach New Orleans geschickt… Ich rief meinen Sohn Sheffield an und erzählte ihm von der Sache; ich sagte: ›Sheff, tu für sie, was du kannst, wenn sie zurück kommt.««
    Antha fuhr mit Onkel und Tante zurück nach New Orleans und wurde gleich nach der Ankunft in die Anstalt von St. Ann’s überstellt, wo sie sechs Wochen blieb. Zahlreiche Verwandte kamen sie dort besuchen. Nachher erzählte man, sie sei blaß und rede manchmal unzusammenhängend, aber sonst gehe es ihr gut.
    In New York verschaffte sich unser Detektiv Allan Carver nochmals Gelegenheit, mit Amanda Grady Mayfair zu sprechen. »Wie geht es der kleinen Nichte?«
    »Oh, ich könnte Ihnen die furchtbarsten Geschichten erzählen!« sagte Amanda Grady Mayfair. »Sie können es sich nicht vorstellen. Wissen Sie, daß diese Tante den Ärzten in der Anstalt gesagt hat, sie sollten das Baby abtreiben? Antha leide an angeborenem Wahnsinn und dürfe niemals ein Kind bekommen? Haben Sie je etwas Schlimmeres gehört? Als mein Mann es mir erzählte, sagte ich, wenn du jetzt nichts unternimmst, werde ich dir das nie verzeihen. Natürlich erklärte er, niemand werde dem Baby etwas antun. Die Ärzte würden so etwas nicht tun – nicht für Carlotta, und für niemanden sonst. Als ich dann Beatrice Mayfair in der Esplanade Avenue anrief und ihr alles erzählte, wurde Cortland wütend. ›Du solltest nicht alle Welt in Alarmbereitschaft versetzen‹, sagte er. Aber genau das hatte ich vor. Ich sagte zu Bea: ›Geh sie besuchen. Und laß dich von niemandem abhalten.‹«
    Die Talamasca hat für die Geschichte der geplanten Abtreibung nie eine Bestätigung finden können. Aber Krankenschwestern aus St. Ann’s erzählten unseren Ermittlern später, daß Scharen von Mayfairs gekommen seien, um Antha in der Anstalt zu besuchen.
    »Sie lassen sich nicht abweisen«, schrieb Irwin Dandrich. »Sie bestehen darauf, sie zu sehen, und allen Berichten zufolge geht es ihr gut. Sie wartet aufgeregt auf das Baby, und natürlich haben sie sie mit Geschenken überhäuft. Ihre Cousine Beatrice hat ihr alte Babysachen aus Spitze mitgebracht, die irgendeiner Großtante Suzette gehört haben sollen. Hier ist allgemein bekannt, daß Antha diesen New Yorker Maler nie geheiratet hat, aber was macht das schon, wenn der Name Mayfair ist und immer Mayfair bleiben wird?«
    Die Verwandten zeigten sich nicht weniger couragiert, als Antha aus St. Ann’s entlassen wurde und nach Hause in die First Street kam, um sich in Stellas altem Schlafzimmer an der Nordseite des Hauses zu erholen. Rund um die Uhr waren Krankenschwestern bei ihr, und es war kein Problem für unsere Ermittler, von ihnen Informationen zu bekommen.
    Cortland kam jeden Abend nach der Arbeit vorbei. »Die Dame des Hauses wollte ihn, glaube ich, nicht sehen«, erzählte eine der Schwestern. »Aber er kam trotzdem. Immer. Er und noch ein junger Gentleman – Sheffield hieß er, glaube ich. Jeden Abend saßen sie ein Weilchen bei der Patientin und plauderten.«
    Der Familienklatsch weiß zu berichten, Sheffield habe einiges von dem gelesen, was Antha in New York geschrieben hatte, und es sei »sehr gut« gewesen. Die Schwestern berichteten von den Kisten aus New York – Kartons voller Bücher und Papiere, die Antha prüfte, aber nicht wirklich auspackte, weil sie zu schwach war.
    »Ich finde eigentlich nicht, daß geistig etwas bei ihr nicht stimmt«, meinte eine der Schwestern. »Die Tante holt uns hinaus in den Korridor und stellt uns die merkwürdigsten Fragen. Sie läßt dauernd durchblicken, das Mädchen leide an angeborenem Irrsinn und könne jemandem etwas antun. Aber die Ärzte haben uns davon nichts gesagt. Sie ist ein stilles, melancholisches Mädchen, und sie wirkt viel jünger, als sie ist. Aber sie ist nicht das, was ich als irrsinnig bezeichnen würde.«
    Deirdre Mayfair wurde am 4. Oktober 1941 im alten Mercy Hospital unten am Fluß geboren, das später abgerissen wurde. Anscheinend verlief die Geburt ohne besondere Schwierigkeiten, und Antha wurde stark betäubt, wie es damals üblich war. Die ganzen fünf Tage über, die sie dort verbrachte, drängten sich Mayfairs in den Korridoren. Ihr Zimmer war voller Blumen. Das Baby war ein gesundes kleines Mädchen.
    Aber der Informationsstrom, der mit Amanda Grady Mayfairs Eingreifen so dramatisch angeschwollen war, versiegte zwei Wochen nach Anthas Heimkehr

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