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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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ich weiß, welches Glück uns beide erwartet. Während ich so weit sehen kann.«
    »Was willst du haben? Den Körper eines lebendigen Mannes? Dem durch irgendein Trauma das Bewußtsein geraubt ist, damit du deine Verschmelzung, ungehindert durch seinen Geist, beginnen kannst? Das wäre Mord, Lasher.«
    Schweigen.
    »Ist es das, was du willst? Daß ich einen Mord begehe? Denn wir wissen beide, daß es auf diese Weise gehen könnte.«
    Schweigen.
    Sie schloß die Augen. Sie hörte tatsächlich, wie er sich zusammenzog, hörte, wie der Druck sich verstärkte, hörte die Vorhänge rascheln, als er sie streifte, als er sich wand und den Raum ringsum erfüllte, ihre Wangen und ihr Haar streichelte.
    »Nein. Laß mich allein«, seufzte sie. »Ich warte auf Michael.«
    »Er wird dir jetzt nicht mehr genügen, Rowan. Es bereitet mir Schmerz, dich weinen zu sehen. Aber ich sage die Wahrheit.«
    »Gott, ich hasse dich«, wisperte sie und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Tränenblind schaute sie den großen grünen Baum an.
    »Laß mich jetzt allein, Lasher«, flehte sie. »Wenn du mich liebst, laß mich allein.«
     
    Leiden. Sie wußte, es war wieder der Traum, und sie wollte aufwachen. Auch das Baby brauchte sie jetzt. Sie hörte es weinen. Ich will raus aus dem Traum. Aber sie drängten sich alle an den Fenstern und verfolgten entsetzt, was mit Jan van Abel passierte, den der Mob in Stücke riß.
    »Es wurde nicht geheimgehalten«, sagte Lemle. »Ignorante Menschen können nicht verstehen, wie wichtig Experimente sind. Wenn Sie sie geheimhalten, nehmen Sie damit lediglich die Verantwortung selbst auf sich.«
    Er deutete auf die Gestalt auf dem Tisch. Wie geduldig der Mann dalag: seine Augen waren offen, und all die winzigen, knospenartigen Organe bebten in ihm. So kleine Arme und Beine.
    »Ich kann nicht denken, wenn das Baby weint.«
    »Sie müssen den größeren Zusammenhang sehen, den bedeutenderen Gewinn.«
    Unmöglich. Sie starrte den kleinen Mann an, die Arm- und Beinstummel und die winzigen Organe. Nur der Kopf war normal. Von normaler Größe.
    »Ein Viertel der Körpergröße, um genau zu sein.«
    Ja, die vertrauten Proportionen, dachte sie. Dann packte sie das Grauen, als sie ihn anschaute. Aber sie zerschlugen die Fensterscheiben. Der Mob strömte in die Korridore der Universität Leiden, und Petyr kam auf sie zugelaufen.
    »Nein, Rowan. Tu’s nicht!«
    Sie schrak aus dem Schlaf auf. Schritte auf der Treppe.
    Sie stand auf. »Michael?«
    »Ich bin hier, Honey.«
    Ein großer Schatten im Dunkeln, der nach Winterkälte roch, und dann seine warmen, zitternden Hände. Rauh und zart, und sein Gesicht an ihrem. »Oh, Michael, es war eine Ewigkeit. Warum hast du mich verlassen?«
    »Rowan, Honey…«
    »Warum?« Sie schluchzte. »Laß mich nicht los, Michael, bitte. Laß mich nicht los.«
    Er wiegte sie in seinen Armen.
    »Du hättest nicht fortgehen sollen, Michael. Du hättest es nicht tun sollen.« Sie weinte, und sie wußte, er konnte nicht verstehen, was sie sagte, und sie sollte es gar nicht sagen, und schließlich bedeckte sie ihn mit Küssen, und sie schmeckte seine salzig rauhe Haut und die täppische Sanftheit seiner Hände.
    »Sag mir, was ist eigentlich los? Was ist los?«
    »Daß ich dich liebe. Daß es, wenn du nicht hier bist… daß es so ist, als wärest du nicht real.«
     
    Sie war halb wach, als er aus dem Bett glitt. Sie wollte nicht, daß dieser Traum zurück kehrte. Sie hatte neben ihm gelegen, an seine Brust gekuschelt wie ein Löffel an den anderen, und hatte seinen Arm festgehalten, und als er jetzt aufstand, beobachtete sie beinahe verstohlen, wie er seine Jeans anzog und das enge, langärmelige Rugbyhemd über den Kopf zog.
    »Bleib hier«, flüsterte sie.
    »Es hat geläutet«, sagte er. »Meine kleine Überraschung. Nein, du brauchst nicht aufzustehen. Es ist nichts weiter – nur eine Kleinigkeit, die ich aus San Francisco mitgebracht habe. Warum schläfst du nicht einfach weiter?«
    Noch ehe er weg war, kehrte der Traum zurück.
    Ich will dieses Mädchen auf dem Tisch nicht sehen. »Was ist das? Es kann doch nicht leben.«
    Lemle trug Kittel, Maske und Handschuhe; er war bereit zur Operation. Unter buschigen Augenbrauen spähte er zu ihr herüber. »Sie sind nicht mal steril. Gehen Sie sich waschen; ich brauche Sie.« Die Lampen waren wie zwei gnadenlose Augen auf den Tisch gerichtet.
    Dieses Ding mit seinen winzigen Organen und den großen Augen.
    Lemle hielt etwas mit

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