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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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wieder.
    Er ging zum Fenster, rüttelte daran, bis er merkte, daß es sich nicht öffnen ließ, und dann ließ er sich schwer in einen Sessel fallen und sah zu, wie der Rauch langsam verflog.
    Als er alles gepackt hatte, versuchte er es noch einmal bei Rowan. Sie meldete sich immer noch nicht. Fünfzehnmal klingeln, und sie meldete sich nicht. Er wollte gerade auflegen, als er ihre benommene Stimme hörte.
    »Michael? Oh, ich habe geschlafen. Tut mir leid, Michael.«
    »Hör zu, Honey, ich bin Ire, und ich bin ein sehr abergläubischer Kerl, wie wir beide wissen.«
    »Wovon redest du?«
    »Ich bin mitten in einer Pechsträhne, in einer Serie böser Unglücksfälle. Schenk mir einen kleinen Mayfair-Zauber, ja, Rowan? Zaubere ein weißes Licht um mich herum. Schon mal davon gehört?«
    »Nein. Michael, was ist denn los?«
    »Ich komme nach Hause, Rowan. Und bitte, Honey, stell’s dir nur einfach vor: Ein weißes Licht um mich herum, das mich vor allem Bösen auf der Welt beschützt, bis ich bei dir bin. Verstehst du, was ich sage? Ryan hat mir ein Flugzeug geschickt. Innerhalb der nächsten Stunde geht’s los.«
    »Michael, was ist los?«
    Weinte sie etwa?
    »Tu es, Rowan – das mit dem weißen Licht. Vertrau mir einfach. Streng dich an und beschütze mich.«
    »Ein weißes Licht«, flüsterte sie. »Um dich herum.«
    »Genau. Ein weißes Licht. Ich liebe dich. Ich komme nach Hause.«

 
    45
     
     
    »Oh, das ist der schlimmste Winter seit langem«, sagte Beatrice. »Weißt du, daß sie sagen, es gibt vielleicht sogar Schnee?« Sie stand auf und stellte ihr Weinglas auf den Servierwagen. »Tja, Darling, du warst sehr geduldig. Und ich habe mir solche Sorgen gemacht. Nachdem ich nun gesehen habe, daß es dir gutgeht und daß es in diesem riesengroßen Haus so herrlich warm und behaglich ist, werde ich gehen.«
    »Es war nichts, Bea«, sagte Rowan, und sie wiederholte nur, was sie schon einmal gesagt hatte. »Ich war nur deprimiert, weil Michael so lange weg ist.«
    »Und wann erwartest du ihn?«
    »Ryan sagte, er kommt noch vor morgen früh. Er sollte schon vor einer Stunde fliegen, aber in San Francisco ist Nebel.«
    Sie sah Beatrice nach, wie sie die Marmorstufen hinunter und zum Tor hinausging. Der kalte Wind wehte in die Diele. Sie schloß die Haustür.
    Lange stand sie regungslos und mit gesenktem Kopf da; sie ließ sich von der Wärme umfangen. Schließlich ging sie zurück in den Salon und starrte den riesigen grünen Baum an. Er stand gleich hinter dem Bogen und reichte bis an die Decke. Seine Form war ein so vollendetes Dreieck, wie sie es bei einem Weihnachtsbaum noch nie gesehen hatte. Er füllte das ganze Fenster zur Seitenveranda aus. Und nur wenige Nadeln lagen verstreut darunter auf dem blanken Fußboden. Wild sah er aus, primitiv, wie ein Stück aus dem Wald, das ins Haus gekommen war.
    Sie ging zum Kamin, kniete nieder und legte noch ein kleines Holzscheit in die Flammen.
    »Warum hast du versucht, Michael etwas anzutun?« flüsterte sie und starrte ins Feuer.
    »Ich habe nicht versucht, ihm etwas anzutun.«
    »Du lügst. Hast du auch Aaron etwas antun wollen?«
    »Ich tue, was du mir befiehlst, Rowan.« Die Stimme klang sanft und tief wie immer. »Meine Welt ist es, dir zu gefallen.«
    Sie hockte sich auf die Fersen und verschränkte die Arme; ihr Blick verschleierte sich, und die Flammen verschwammen zu einer großen, flackernden Wolke.
    »Er soll nicht den geringsten Verdacht schöpfen, hörst du?«
    »Ich höre dich immer, Rowan.«
    »Er soll glauben, daß alles so ist, wie es immer war.«
    »Das ist auch mein Wunsch, Rowan. Wir stimmen überein. Ich fürchte seine Feindschaft, weil sie dich unglücklich machen wird. Ich werde nur tun, was du willst.«
    Aber es konnte nicht ewig so weitergehen, und plötzlich war die Angst, die sie ergriffen hatte, so allumfassend, daß sie sich nicht rühren konnte. Zitternd hockte sie da und starrte in die Flammen.
    »Wie wird es enden, Lasher? Ich weiß nicht, wie ich tun soll, was du von mir willst.«
    »Du weißt es, Rowan.«
    »Es wird jahrelanges Studium erfordern. Ohne ein tiefgehendes Verständnis von dir zu haben, kann ich nicht anfangen.«
    »Oh, aber du weißt alles über mich, Rowan. Und du trachtest danach, mich zu täuschen. Du liebst mich, aber du liebst mich nicht. Du würdest mich ins Fleisch locken, wenn du wüßtest, wie – um mich zu vernichten.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja. Es ist eine Qual, deine Furcht und deinen Haß zu fühlen, während

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