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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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sich darum gekümmert. Er sagt, du machst zuviel selbst. Er sagt, er an deiner Stelle hätte einen Installateur damit beauftragt, all die Leitungen zu umwickeln.«
    »Ich tu’ so was gern«, sagte er. »Aber die Leitungen werden so oder so einfrieren. Angeblich kriegen wir den schlimmsten Winter seit hundert Jahren.«
    »Hey, du kannst nicht einfach dieses Zimmer verlassen, ohne mich zu küssen.«
    »Selbstverständlich nicht.« Er beugte sich herunter und bedeckte sie mit Küssen, rauh und hastig, und sie lachte leise. Dann küßte er sie auf den Bauch. »Wiedersehen, Little Chris«, flüsterte er. »Bald ist Weihnachten, Little Chris.«
    An der Tür blieb er stehen, um seine schweren Handschuhe anzuziehen. Dann warf er ihr noch eine Kußhand zu.
    Wie ein Gemälde sah sie aus, als sie so mit hochgezogenen Füßen in ihrem hohen Ohrensessel saß. Sogar ihre Lippen hatten eine sanfte, satte Farbe. Und als sie lächelte, sah er die Grübchen in ihren Wangen.
     
    Er ließ den Wagen zwei Minuten warmlaufen, ehe er losfuhr. Dann nahm er geradewegs Kurs auf die Brücke. Bis Oak Haven würde er eine Dreiviertelstunde brauchen, wenn er auf der Flußuferstraße gut vorankäme.

 
    47
     
     
    »Worum ging es bei dem Pakt und dem Versprechen?« fragte sie.
    Sie stand im Dachzimmer, das mit seinen weißen Wänden jetzt sauber und steril aussah; durch die Fenster hatte man einen Blick über die Dächer. Nichts erinnerte hier mehr an Julien. Alle alten Bücher waren fort.
    »Diese Dinge sind jetzt nicht mehr wichtig«, antwortete er. »Die Prophezeiung ist kurz vor der Erfüllung, und du bist die Tür.«
    »Ich will es wissen. Was war das für ein Pakt?«
    »Es sind Worte, die Menschenlippen von Generation zu Generation weiter gegeben haben.«
    »Ja, aber was haben sie zu bedeuten?«
    »Es war der Bund zwischen mir und meiner Hexe – daß ich auch ihren geringsten Befehlen gehorchen müsse, sofern sie ein weibliches Kind zur Welt brächte, das ihre Fähigkeiten und ihre Macht, mich zu sehen und mir zu befehlen, erben würde. Ich sollte ihr alle Reichtümer der Welt bringen, alle ihre Wünsche erfüllen. Ich sollte in die Zukunft schauen, damit sie die Zukunft kennt. Ich sollte alle Kränkungen und Beleidigungen rächen. Und dafür würde die Hexe danach trachten, ein Mädchen zur Welt zu bringen, das ich lieben und dem ich dienen könnte wie zuvor der Hexe, und dieses Mädchen würde mich ebenfalls sehen und lieben.«
    »Und das Kind sollte immer stärker werden als die Mutter, je näher die dreizehnte rückte.«
    »Ja. Mit der Zeit konnte ich die Dreizehn sehen.«
    »Nicht von Anfang an?«
    »Nein. Mit der Zeit sah ich sie. Ich sah, wie die Macht sich sammelte und vervollkommnete, ich sah, wie sie durch die starken Männer der Familie genährt wurde. Ich sah Julien, dessen Macht so groß war, daß er seine Schwester Katherine überstrahlte. Ich sah Cortland. Ich sah den Weg zur Tür. Und jetzt bist du hier.«
    »Wann hast du deinen Hexen von der Dreizehn erzählt?«
    »In Angeliques Tagen. Aber du mußt bedenken, wie simpel mein eigenes Verständnis dessen, was ich sah, damals war: Ich konnte ja kaum etwas erklären. Wörter waren etwas völlig Neues für mich. Der Prozeß des Denkens in der Zeit war neu. Und so war die Prophezeiung obskur und schleierhaft – nicht geplant, sondern zufällig. Aber jetzt steht sie vor ihrer Erfüllung.«
    »Du hast nicht mehr versprochen?«
    »Was könnte ich mehr geben? Wenn ich im Fleische bin, werde ich dein Diener sein, wie ich es jetzt bin. Ich werde dein Liebhaber sein und dein Vertrauter, und dein Schüler. Niemand kann gegen dich bestehen, wenn du mich hast.«
    »Erlöst… was hat Erlöstsein damit zu tun – die alte Redensart, daß die Hexen erlöst sein würden, wenn die Tür sich öffnete?«
    Schweigen.
    »Die dreizehn Hexen würden gestärkt werden im Augenblick meines endgültigen Triumphes. Indem sie Lasher, ihren treuen Diener, belohnten, würde die Verfolgung Deborahs und Suzannes ihre Rache finden. Wenn Lasher durch die Tür tritt, wird Suzanne nicht vergebens gestorben sein. Deborah wird nicht vergebens gestorben sein.«
    »Das wäre die vollständige Bedeutung des Wortes ›erlöst‹?«
    »Du kennst jetzt die ganze Erklärung.«
    »Und wie soll es geschehen? Du sagst mir, wenn ich es weiß, wirst du es wissen, und ich sage dir, ich weiß es nicht.«
    »Erinnere dich an dein Gespräch mit Aaron – daß ich lebe und vom Leben bin, daß meine Zellen mit den Zellen des

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